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Gefährliches Spiel um Wien

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Der türkis-rote Hahnenkampf zwischen Bund und Hauptstadt verunsichert die Menschen.


Es ist nicht befriedigend, wenn es vom ideologischen Standpunkt des Beobachters abhängt, ob es nun eine relevante Bedrohung für die Gesundheit gibt - oder eben nicht. Doch genau in diese Situation bringen die Kanzlerpartei ÖVP und die Bürgermeisterpartei SPÖ die Bürger mit ihrem lächerlich oberflächlichen Schlagabtausch um die Corona-Maßnahmen.

Nicht nur die Frage, welches tatsächliche Gesundheitsrisiko sich mit dem Infektionscluster rund um Leiharbeiter verbindet, bleibt damit offen; sogar bei der geografischen - und damit politisch zuordenbaren - Verortung des Clusters bestimmen parteipolitische Opportunitäten.

Das ist natürlich ein inszeniertes Spiel im Vorfeld der Wiener Wahl, die für 11. Oktober angesetzt ist, mit dem Innenminister und dem Gesundheitsstadtrat in den Hauptrollen. Denn dafür, dass die Kooperation zwischen der Bundesregierung und der Bundeshauptstadt hinter den Kulissen funktioniert, gibt es genügend Belege, Aussagen und Hinweise. Alles andere wäre auch im Angesicht einer historischen Krise des Gemeinwesens völlig inakzeptabel und müsste unmittelbare politische Konsequenzen nach sich ziehen.

Trotzdem taugt der Hahnenkampf dazu, Menschen, die - aus für gelernte Österreicher unverständlichen Gründen - immer noch dazu neigen, die öffentlichen Aussagen von wichtigen Amtsträgern ernstzunehmen, noch weiter zu verunsichern, als sie angesichts der unbewältigten Corona-Pandemie samt deren unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen ohnehin bereits sind. Ein solches Verhalten von Spitzenpolitikern in Regierungsfunktionen ist - man kann es nicht anders bezeichnen - schlicht verantwortungslos.

Immerhin zeigt die Episode, wie weit sich die Ausnahmesituation bereits wieder der politischen Normalität angenähert hat. Und es gibt auch gute Gründe, dass nicht einmal mehr die etablierten Parteien den Fehler machen, die Auseinandersetzung um politisch harte und heikle Fragen den politischen Rändern überlassen, sondern mit Volkspartei und Sozialdemokratie die Mitte-Parteien selbst in den Ring steigen. Die Vernachlässigung ihrer Ecken und Kanten war zweifellos einer der großen Fehler von ÖVP und SPÖ in den vergangenen Jahrzehnten; nur deshalb konnte es der FPÖ gelingen, die politischen Debatten in vielen Bereichen so zu dominieren.

Aber eine solche Profilierungsstrategie darf trotzdem eines auf keinen Fall: Menschen in einer kritischen Situation gezielt verunsichern und verwirren.

Das Vertrauen in die Behörden darf nicht davon abhängig gemacht werden, welche Partei gerade am Ruder ist. Das gilt für den Bund wie für die Hauptstadt.