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Wahlfaktor Corona

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Das Virus beeinflusst auch die Demokratie - und damit auch die US-Wahlen am 3. November.


Das Virus Sars-CoV-2 ist - in dieser Reihung - eine Herausforderung für die Gesundheitspolitik, für die Wirtschaftspolitik und schließlich auch für die Demokratie. Denn natürlich hat die Pandemie Einfluss auf das Ergebnis von Wahlen, sei es indirekt durch die Verschiebung von Aufmerksamkeit, Themenlage und Medienpräsenz, sei es direkt durch neue Hürden bei der Stimmabgabe für unterschiedliche Wählergruppen. Schon die Möglichkeit, eine Wahl trotz Corona durchzuziehen oder deswegen aufzuschieben, je nach politischer Opportunität aus Sicht der Regierenden eben, ist ein Faktor.

Mit dem massiven Anstieg der Neuinfektionen in den USA erhält die Frage nach der Sicherheit der US-Wahlen am 3. November neue Dringlichkeit. Schon zu Beginn der Krise, im April, kokettierte Jared Kushner, der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, mit einer Verschiebung. Und damals war das Land noch weit weg von täglich mehr als 50.000 Neuinfektionen, die am Donnerstag erreicht wurden. Entsprechend alarmiert sind die oppositionellen Demokraten um Joe Biden. Trumps Herausforderer bietet eine Armada von 600 Juristen auf, um jeden Versuch des Präsidenten zu unterbinden, unzulässigen Einfluss auf den Wahlprozess zu nehmen.

Die demokratischen Institutionen der USA sind stabil und widerstandfähig genug, sodass diese Gefahr als verschwindend gering bezeichnet werden kann. Aber allein der Umstand, dass namhafte Experten sich überhaupt damit ernsthaft beschäftigen, stellt dem jahrzehntelangen Bannerträger für Demokratie und Freiheit eine ernüchternde, ja vernichtende Zustandsbeschreibung aus. Und ja, natürlich, sind Bidens 600 Rechtsanwälte auch ein politischer Schachzug und ein Mobilisierungsmanöver.

Rechtlich braucht es für eine Verschiebung der für 3. November geplanten Wahl eine Mehrheit im Kongress und also die Zustimmung zumindest eines Teils der Demokraten. Und auch für diesen höchst unwahrscheinlichen Fall ist der Spielraum eng: Am 20. Jänner beginnt die neue Amtszeit des Präsidenten, so steht es in der Verfassung. Und bei der Wahl geht es ja nicht nur um Trump oder Biden, sondern auch ums ganze Abgeordnetenhaus, ein Drittel der Senatoren, etliche Gouverneure und zahllose lokale Amtsträger.

Das Wahlsystem der USA ist hochgradig dezentral und antiquiert. Die Briefwahl, in der Trump eine Einladung zum Wahlbetrug erkennen will, ist nur in einer Minderheit der 50 Staaten überhaupt zulässig. Die ehemalige Führungsmacht der freien Welt muss also nicht nur ihre wirtschaftliche und soziale Infrastruktur generalsanieren, sondern auch ihre demokratische.