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Trotz Niederlage ein Held

Von Martyna Czarnowska

Leitartikel

Der Erfolg des Wahlverlierers in Polen ist nicht zu unterschätzen.


Wahltriumphgeheul ist nicht angebracht. Das weiß auch der nationalkonservative Staatspräsident Polens, der am Sonntag wiedergewählt wurde. Damit würde Andrzej Duda nämlich die gesellschaftspolitischen Gräben, die er selbst mit aufgerissen hat, weiter vertiefen. Und dafür ist sein Vorsprung vor dem liberalen Herausforderer Rafal Trzaskowski dann doch zu gering.

Doch selbst wenn es ein moralischer Sieg wäre - davon kann sich die Opposition kaum etwas kaufen. Dennoch ist nicht zu unterschätzen, welchen Erfolg Trzaskowski errungen hat. Nach der Politposse rund um die Verschiebung der Wahl, die die Regierungsfraktion PiS unbedingt noch im Mai durchsetzen wollte, ist der Warschauer Bürgermeister erst Anfang Juni in die Kampagne eingestiegen, nachdem die glücklose frühere Kandidatin sich zurückgezogen hatte. Er hatte wenige Tage Zeit, die nötigen Unterstützungserklärungen zu sammeln und danach gerade einmal einen Monat für den Wahlkampf. Und der bot alles andere als gleiche Chancen für alle Bewerber. Die Ausläufer der Corona-Beschränkungen machten vor allem Dudas Kontrahenten zu schaffen, während der Präsident in seiner Funktion viel mehr Raum zur Präsentation hatte. Das staatliche Fernsehen, von PiS unter Kontrolle gebracht, zog oft genug Propaganda Berichterstattung vor. Trzaskowski wurde dort nur in schlechtem Licht gezeigt.

Trotz allem gelang es ihm, in wenigen Wochen fast zehn Millionen Menschen zu überzeugen. Bei der Stichwahl erhielt er etwa eine halbe Million Stimmen weniger als der Amtsinhaber.

Doch für all jene, die sich eine Kursänderung der PiS-Politik wünschen, ist es nur ein schwacher Trost, dass von Wahl zu Wahl die Opposition ihren Abstand zum Stimmenstärksten verringert. Solange das nationalkonservative Lager im Sejm, in Polens Unterhaus, etwas mehr als die Hälfte der Mandate und im Präsidentenpalast einen aus seinen Reihen stammenden tatkräftigen Unterstützer hat, gibt es kaum ein Gegengewicht dazu. PiS wird seinen Kurs fortsetzen, der schon in den vergangenen Jahren den Austausch von Richtern und die Stärkung des Justizministers als Oberstaatsanwalt ebenso beinhaltet hat wie die Beeinflussung von Medien sowie eine Verschlechterung der Beziehungen zu den EU-Institutionen.

Der Wahlsieg Dudas verschafft PiS auch in den nächsten Jahren relative Gestaltungsfreiheit. Das bedeutet aber nicht, dass damit jeder Widerspruch im Keim erstickt wird. Es gibt noch regierungskritische Medien in Polen - und eine starke Zivilgesellschaft. Es werden wieder etliche Polen aus Protest gegen die Regierungspolitik auf die Straße gehen, wenn es notwendig wird. Das könnte schon bald der Fall sein. PiS hat bereits eine Fortsetzung umstrittener Reformen angekündigt.