Die Strategie der EU, Konzerne fair zu besteuern, ist gescheitert. Es braucht neue Hebel.
Das Urteil des EU-Gerichts Erster Instanz in Luxemburg, wonach Apple doch keine 13 Milliarden Euro Steuern an Irland nachzuzahlen habe, ist ein Schlag in die Magengrube - für EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und den Anspruch der Union, bei internationalen Konzernen eine Besteuerung durchzusetzen, die diesen Namen verdient. Die Dänin ist das Gesicht dieser Mission, die neben Apple auch Google, Amazon, Starbucks, Ikea, Qualcomm und Gazprom im Visier hat.
Viel Feind, viel Ehr‘, und tatsächlich ist es Vestager gelungen, sich als "Tax Lady" ein markantes internationales Profil zu erarbeiten, die auch den US-Digitalkonzernen das Fürchten lehrt. "Your tax lady, she really hates the US", soll sich US-Präsident Trump beim damaligen EU-Kommissionschef Juncker beklagt haben.
Dieses Image bekommt nun Kratzer, nachdem im Herbst 2019 bereits die von der EU-Kommission verordnete 30-Millionen-Euro-Nachzahlung der US-Kaffeehauskette Starbucks an die Niederlande vom EU-Gericht abgewiesen wurde. Ob die Kommission nun gegen das Apple-Urteil berufen wird, ist noch offen. Wie im Falle Starbucks ist es Vestagers Behörde wieder nicht gelungen, ihren rechtlichen Standpunkt, wonach der US-Konzern von unzulässigen Staatsbeihilfen Irlands profitiert habe, ausreichend zu belegen. Irland, das sich gegen die Steuernachzahlung in die eigene Staatskasse ausgesprochen hatte und wie Apple dagegen berufen hatte, begrüßte das Urteil. Tatsächlich beharren die irische Regierung und der US-Konzern, dass diese Steuerminimierung eben keine rechtswidrige Ausnahme sei, sondern allgemeine Strategie.
Und Irland steht damit in der EU nicht allein da. Auch die Niederlande und Luxemburg locken Multis mit ähnlichen Mitteln. Laut Othmar Karas, Vizepräsident des EU-Parlaments, entgehen den EU-Staaten auf diese Weise 825 Milliarden Euro an potenziellen Steuerzahlungen. Pro Jahr. Das ist weit mehr als der umstrittene Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro umfasst.
Fest steht jetzt, dass die Strategie der EU-Kommission, das nationale Steuerdumping über den Hebel illegaler staatlicher Beihilfen zu bekämpfen, gescheitert ist. Das scheint auch Brüssel so zu sehen, weshalb die Kommission nun danach strebt, in nationale Steuerregeln einzugreifen, wenn diese den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt verfälschen.
Auch im Binnenmarkt ist Steuerwettbewerb legitim - nicht nur, aber auch, um Standortnachteile auszugleichen. Aber dieser Wettbewerb braucht Regeln und Untergrenzen. Es kann nicht sein, dass die profitabelsten Konzerne die geringsten Steuern zahlen.