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Globale Datenkraken

Von Ronald Schönhuber

Leitartikel

In China sind Daten nur so lange sicher, solange es die Kommunistische Partei will.


Wahrscheinlich war auch ein wenig Revanchismus mit dabei. Schließlich hatten TikTok-Nutzer Donald Trump bei seinem Wahlkampfauftritt in Tulsa Ende Juni gehörig in die Suppe gespuckt, indem sie sich massenhaft für Gratis-Tickets registriert hatten, aber anschließend nicht im BOK Center auftauchten. Der US-Präsident, dessen Wahlkampfteam im Vorfeld mit einem unglaublichen Interesse an der Veranstaltung geprahlt hatte, musste in einer Halle sprechen, die mit knapp 6000 Menschen nicht einmal zur Hälfte gefüllt war.

Doch Trumps Ankündigung, das rasant wachsende chinesische Online-Netzwerk in den USA entweder ganz zu verbieten oder zumindest das US-Geschäft einem heimischen Konzern zuzuschlagen, primär als kleinliche Rache eines gekränkten Präsidenten für die Blamage von Tulsa zu verstehen, greift deutlich zu kurz. Und der Vorstoß des Präsidenten ist auch weit mehr als ein weiterer Rempler gegen den großen geopolitischen Rivalen China.

Denn die oft irrlichternde Trump-Administration mag zwar den Großteil ihres internationalen Vertrauenskapitals verspielt haben, doch im konkreten Fall hat sie durchaus triftige Argumente auf ihrer Seite, wenn sie an der Sicherheit der von chinesischen Firmen gespeicherten Daten zweifelt. So gibt es zwar bisher keine Beweise dafür, dass die Volksrepublik auf in Sozialen Netzwerken gespeicherte Informationen von Amerikanern zugegriffen hat, doch schon allein die Gesetzeslage macht deutlich, dass in China Daten nur so lange sicher sind, solange es die Kommunistische Partei auch will. Laut Artikel 14 des chinesischen Nachrichtendienstgesetzes können die Behörden nämlich Unternehmen ohne großen Federlesens zur Zusammenarbeit und Unterstützung verpflichten, wenn eine Gefahr für die nationale Sicherheit droht.

Dass China größere Hemmungen hätte, sich im Fall des Falles bei TikTok oder dem sich in Europa um Aufträge bemühenden Telekom-Ausrüster Huawei Zugriff auf sensible Daten zu verschaffen, ist nicht anzunehmen. Denn wie wenig Skrupel Großmächte haben, sich nachrichtendienstliche Vorteile zu verschaffen, haben nicht zuletzt die USA selbst vorgemacht. So haben deren Geheimdienste jahrelang nicht nur rivalisierende Staaten ausspioniert, sondern auch ihre engsten Verbündeten.

Ehrlich überrascht davon, dass selbst Angela Merkels Handy angezapft wurde, waren damals aber nur die Europäer gewesen, die sich auch heute noch schwer damit tun, andere Staaten als Rivalen zu sehen. Eine Entscheidung darüber, ob und wie Huawei am 5G-Ausbau beteiligt werden soll, ist in vielen EU-Ländern noch immer ausständig.