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Bericht? Oder nicht?

Von Simon Rosner

Leitartikel

Strache braucht Erkenntnis, nicht mediale Präsenz.


Heinz-Christian Strache ist nicht niemand. Er hat die Politik über Jahre geprägt, ehe er in die Falle tappte und sich in Ibiza offenbarte. Erst trat er zurück, dann zog er sich zurück, gänzlich, für immer und ewig. Für drei Monate. Hätte Strache Wort gehalten, vielleicht hätte er sich, der im Anzug der Staatsfunktion durchaus den oppositionellen Wutbürger vergessen machte, irgendwann rehabilitiert, zumindest halbwegs. Hat er aber nicht, stattdessen tritt er in Wien an.

Das ist, erstens, sein gutes Recht, wenn man zumindest die Wohnsitzfrage großzügig auslegt, zweitens tritt dadurch aber wieder ein altbekanntes Dilemma politischer Berichterstattung zu Tage, nämlich die Frage der Relevanz und Präsenz. Der konkrete Fall hat durch Ibiza noch eine zusätzliche Komponente. Nach wie vor wird gegen Strache strafrechtlich ermittelt. Das war etwa bei Jörg Haider und seinem Zweitprojekt BZÖ anders. Doch da es ohnehin nicht Aufgabe von Journalisten ist, zu urteilen, sollte Ibiza die Frage der medialen Präsenz nicht tangieren. Aus persönlichem Entsetzen justament nicht zu berichten, wäre jedenfalls unjournalistisch. Es gibt aber auch sicher keine Dauerberichterstattungspflicht, nur weil der Frontman einer Wahlliste prominent ist.

Durch die FPÖ-Abspaltung DAÖ hat die Liste bereits jetzt Mandate im Landtag, das wurde oftmals als Qualifikation für ausführliche Berichterstattung definiert - und immer wieder auch durchbrochen. Zurecht! Es ist Aufgabe und Verantwortung von Journalisten, Relevantes von weniger Relevantem zu trennen, mediale Vielfalt vermeidet dann diesbezüglich eine kollektive Fehleinschätzung.

Also was will Strache in Wien? Sein "Team HC Strache" hat ein Grundsatzpapier veröffentlicht, bei dem es aber einer forensische Untersuchung bedarf, Abweichungen zum FPÖ-Programm zu finden. Muss auch nicht sein, dann heißt dieses Match im Oktober eben Mann (THC) oder Marke (FPÖ)? Das reduziert per se nicht die Relevanz. Allerdings tut das Strache gerade selbst.

Er hat eine Kampagne begonnen, aber nicht für höhere Pensionen oder wenigstens gegen Migration, sondern nur für sich selbst. Er bezichtigt Medien, die Ibiza aufdeckten, der Manipulation, sogar des Komplotts, er sagt, dass er vollends rehabilitiert sei, weil veröffentlichte Ausschnitte belegen würden, dass er nie was Illegales im Sinn gehabt hätte. Diese Darstellungen sind Unsinn, aber sie sind auch legitim. Gegen Strache wird ermittelt, dagegen wehrt er sich öffentlich, das nennt sich Litigation-PR. Man muss jedoch darüber nicht auch noch berichten. Was will Strache also wirklich? Es wirkt, als diene sein Wahlprojekt, bewusst oder unbewusst, nur seiner Reinwaschung. Menschlich ist das verständlich, Strache fühlt sich vermutlich wirklich als Opfer. Aber dann bräuchte er eher Erkenntnis als mediale Präsenz.