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Lehren aus Moria

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

13.000 Menschen über die EU zu verteilen, ist möglich, aber auch noch keine Lösung.


Natürlich lassen sich die rund 13.000 Flüchtlinge und Migranten problemlos in einer Union unterbringen, die aus 27 Staaten und 450 Millionen Einwohnern besteht, wie es jetzt zahlreiche Hilfsorganisationen und Politiker fordern. Das würde sogar Griechenland allein schaffen, wo die Menschen jetzt, nach der Zerstörung des Lagers Moria durch einen Brand, auf der Insel Lesbos weiter festsitzen. Und Österreich erst recht.

Eine Verteilung - zumal derjenigen, die am dringendsten Hilfe brauchen - ist also möglich. Eine echte Lösung der dahinterstehenden Probleme ist damit trotzdem nicht erreicht. Die Menschen auf den Inseln sind, man muss es so hart formulieren, Bauern im Vielfrontenkampf der EU um den Umgang mit und die Abwehr von illegaler Migration. Und die Meinungen und ethischen Überzeugungen gehen quer durch Staaten, Parteien und Koalitionen, wie Österreich zeigt.

Die Ursache des Feuers in Moria - ob ein Unglück oder absichtlich im Lager gelegt, wovon Griechenlands Regierung ausgeht - ist ohnehin zweitrangig. So oder so sind wieder alle Augen auf die Lage auf den griechischen Inseln gerichtet, wo rund 40.000 Migranten und Flüchtlinge oft unter prekären Bedingungen festsitzen.

Innerhalb der EU ist sich eine Mehrheit der Regierungschefs - manche explizit, andere eher kleinlaut - einig, dass eine prompte Umverteilung der Flüchtenden nur noch mehr Fliehende gen Europa ziehen würde. Zudem würde es die EU noch erpressbarer gegenüber dem türkischen Präsidenten machen, der die Massen verzweifelter Menschen in seinem Land nach Gutdünken zu steuern weiß.

Trotzdem muss man nicht so weit gehen, aus Hartherzigkeit eine Tugend zu machen, zumal dahinter wie im Fall der ÖVP auch parteitaktische Überlegungen stehen. (Wobei die Frage durchaus zulässig ist, ob die Welt eine bessere wäre, wenn die FPÖ sich wieder der 30-Prozent-Grenze näherte.)

Der Unwille zur Verteilung ist aber, selbst wenn er sich im Grundsätzlichen begründen lässt, mindestens so niederschmetternd wie die Unfähigkeit der EU, die sich seit fünf Jahren nicht und nicht auf ein der Situation und den Interessen der Union angemessenes sowie der Menschenrechtskonvention entsprechendes neues Asyl- und Migrationsregime einigt. Angesichts unbequemer Probleme den Kopf in den Sand zu stecken, hat noch nie funktioniert. Am 30. September will die EU-Kommission nun dazu ihren lange erwarteten Vorschlag präsentieren. Wenn sich die EU selbst ernst nimmt, muss sie als Gemeinschaft jetzt Ergebnisse liefern und nicht mehr nur als 27 Einzelkämpfer handeln, die mal mehr, mal weniger von Migration und Asyl betroffen sind.