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Genug zu tun für alle

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Die EU hat Raum für Kompromisse beim Umgang mit Flüchtlingen. Sie muss sie nur ermöglichen.


Die Bilder von der elenden Lage der Flüchtlinge auf Lesbos haben das Fehlen einer europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik zurück in die Schlagzeilen geholt. Wobei in diesem Satz schon ein erstes Missverständnis in dem an Missverständnissen reichen Dilemma liegt.

Wirklich Schlagzeilen hat der Brand im Lager Moria - abgesehen von Griechenland - vor allem in Deutschland und Österreich gemacht; in den meisten anderen EU-Staaten wurde zwar darüber berichtet, viel mehr aber auch nicht. Diese unterschiedliche Wahrnehmung ist für sich schon eine Hypothek für eine Reform der seit Jahren dysfunktionalen EU-Flüchtlingspolitik.

Die Erwartungen sind also hoch, wenn die EU-Kommission nun ihren Vorschlag präsentiert. Im Vorfeld sondierten die zuständigen Kommissionsmitglieder über Monate die Kompromissmöglichkeiten und roten Linien. Und dann ist da ja noch Deutschland, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat und auf einen grundsätzlichen Durchbruch drängt.

Bisher spießte sich eine Reform am Widerstand einiger Länder, allen voran der Visegrad-Staaten, gegen eine Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen. Beharrt die Kommission weiter auf einer solchen Aufnahmepflicht, ist ein neuerliches Scheitern wohl programmiert. Zugleich ist nicht länger akzeptabel, dass einige Staaten so tun, als ginge sie das Flüchtlingsthema überhaupt nichts an. Zwischen diesen beiden Polen - Zwang zur Aufnahme und Verweigerung jeglichen Beitrags - müssen die Europäer jetzt endlich eine gemeinsame Lösung finden.

Raum dafür gibt es eigentlich zuhauf. Das Thema umfasst so viele Facetten, dass es eigentlich genügend Beteiligungsmöglichkeiten über die bloße Aufnahme von Flüchtlingen hinaus gibt: Ein effizienter EU-Außengrenzschutz muss endlich auf die Beine gestellt, betrieben und finanziert werden; Asylverfahren müssen rechtsstaatlich einwandfrei durchgeführt werden, und all diejenigen, die keine Chance auf eine Aufenthaltsbewilligung haben, müssen wieder zurückgeführt werden, was wiederum mit den Aufnahmeländern abgestimmt erfolgen muss; mehr Mittel und Personal benötigt zudem die Betreuung in den Erstaufnahmezentren und Krisenherden vor Europas Haustür.

Aus all dem muss die EU ein großes Paket schnüren, um die Belastungen des Flüchtlingsproblems ausgewogen zu verteilen. Wenn die Staaten dabei ein Mitspracherecht bei der Form ihrer Beteiligung haben, stehen die Chancen für einen Neubeginn in der EU-Flüchtlingspolitik besser, als wenn die Kommission weiterhin auf einer verpflichtenden Aufnahme beharrt.