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Was kommt nach Trump?

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

Doch auch wenn Donald Trump nicht mehr im Weißen Haus residieren wird, der Trumpismus wird Amerika noch Jahre begleiten.


Der gewählte US-Präsident heißt Joe Biden. Es wird noch immer ausgezählt, politische Beobachter schätzen, dass Biden am Am Ende rund fünf Millionen Stimmen mehr als Donald Trump bekommen haben wird. 2016 hatte Hillary Clinton immerhin 2,9 Millionen Stimmen mehr als Donald Trump - dennoch reichte es aufgrund des US-Wahlsystems, das Wählerinnen und Wählern in ländlichen Gebieten mehr Gewicht gibt als Städtern - nicht für ihren Sieg über Trump.

Trumps Niederlage in Pennsylvania bedeutet, dass er am 20. Jänner 2021 aus der prestigeträchtigen Adresse 1600 Pennsylvania Avenue ausziehen muss und Joe Biden im Oval Office sein Büro bezieht.

Doch auch wenn Donald Trump nicht mehr im Weißen Haus residieren wird, der Trumpismus wird Amerika noch Jahre begleiten. Einflussreiche Republikaner sind ja der Meinung, dass  Trump die Wahl gewonnen hätte, wenn er ein wenig disziplinierter und etwas weniger aggressiv in seiner Rhetorik gewesen wäre. Tatsächlich ist es - vorsichtig ausgedrückt - einigermaßen überraschend, dass jemand wie Donald Trump rund 70,8 Millionen Stimmen einsammeln konnte.

Nachdem die Demokraten den Senat am 3. November nicht erobern konnten, (sie hoffen nun auf die Nachwahlen in Geogia am 5. Jänner 2021), wird die legislative Agenda in der ersten Hälfte der Amtszeit Bidens einigermaßen schwierig. Biden wird mit dem republikanischen Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnel, Kompromisse eingehen müssen, was vor allem dem progressiven Flügel der Demokraten nicht gefallen wird. Spätestens bei den Midterms am 8. November 2022 haben die Demokraten eine realistische Chance, die Mehrheit im Senat zu erringen.

Die aber wohl wichtigste Frage wird: Wird Trump wirklich von der Bildfläche verschwinden? Welche Rolle wird Donald Trump und sein Familienclan in der republikanischen Partei spielen?

Wird der Trumpismus zur neuen republikanischen Leit-Ideologie? Und wenn ja, welche Form des Trumpismus?

Die Silvio Berlusconi-inspirierte Don Corleone-Variante mit Nepotismus, Respektlosigkeit vor dem Gesetz und völligem Fehlen politischer Moral?

Die dekadenzbeschleunigende Variante der Nicht-Politik, in der das Erzählte Reicht und nicht das Erreichte zählt?

Oder eine neue Evolutionsstufe des Trumpismus, so wie sie der 34jährige Publizist Julius Krein in der von ihm gegründeten konservativen Quartalsschrift skizziert: Wirtschaftspolitisch weiter links angesiedelt, Nationalistisch, aber nicht rassistisch. In dieser Form des Trumpismus wird dem Reaganismus abgeschworen und stattdessen soziale Ungleichheit thematisiert. Leute wie Krein träumen von einem Trumpismus, der sich die britischen Konservativen, die CSU aber auch rechtsnationalistische und rechtspopulistische Parteien in Europa zum Vorbild nimmt.

Für Trump selbst könnte der Verlust des Amtes auch rechtliche Konsequenzen haben: Denn bisher war Trump durch seine Immunität geschützt, Justizminister William Barr tat sein Bestes, um Trumps Umfeld vor Strafverfolgung wegen zahlreicher Korruptionsaffären, Steuerhinterziehungsvorwürfen und anderen Gesetzesbrüchen zu schützen. Damit könnte es bald vorbei sein: Bisher hieß Trumps Gegner Joe Biden, nun könnte Trump es vielleicht bald mit dem Staatsanwalt von Manhattan, Cyrus Roberts Vance Jr. (Sohn von Cyrus Vance, der unter Jimmy Carter Außeninister war) und Letitia James, oberste Staatsanwältin des Staats New York zu tun bekommen.