Zum Hauptinhalt springen

Die Hoffnung in Gefahr

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Ein Impfstoff ist da. Jetzt muss in das Vertrauen in die Wirksamkeit der Impfung investiert werden.


Menschen, die sich mehrmals täglich in den Nachrichtenstrom einklinken, erleben ein Wechselbad der Gefühle. Da sind die massiv steigenden Corona-Todesfälle bei weiter hartnäckig hohen Neuinfektionen, obwohl die verschärften Maßnahmen von Anfang November seit bald drei Wochen gelten.

Gleichzeitig überschlagen sich die guten Nachrichten: Am Freitag hat mit Pfizer/Biontech der erste westliche Impfstoff in den USA die Notfallzulassung beantragt; zwei weitere werden wohl demnächst folgen. Bereits für Dezember wird mit dem Start einer beispiellosen Impfaktion gerechnet.

Jetzt müssen sich nur noch möglichst alle, zumindest die große Mehrheit, impfen lassen. Gelingt das, steht die Tür zu einer Rückkehr zu den alten Freiheiten und Gewohnheiten sperrangelweit offen. Ob die Menschen das auch tun werden, ist allerdings fraglich. Eine Studie aus dem Vorjahr mit 140.000 Befragten in 144 Ländern hat ergeben, dass ausgerechnet in jenen Ländern, die über die höchsten Einkommen verfügen, das Vertrauen in Impfungen weltweit am geringsten ist. Es gilt: je ärmer, desto größer das Vertrauen. In Österreich sagen demnach 21 Prozent, Impfungen seien gefährlich.

Wissenschaftlich gibt es für diese Behauptung keine belastbaren Argumente. Dennoch bleibt die Erkenntnis: Nicht Wohlstand oder Zugang zu und Leistbarkeit von Impfungen entscheiden über deren Akzeptanz, sondern das Gefühl der eigenen persönlichen Verwundbarkeit und Gefährdung.

Die entscheidende Frage lautet nun: Haben die Erfahrungen unserer Wohlstandsgesellschaften mit den dramatischen und teils traumatischen Folgen der Corona-Pandemie die Impfgegner weiter bestärkt oder doch beschwichtigt? Zumal es in Österreich Konsens ist, dass es keine Impfpflicht geben soll.

Diese Freiwilligkeit ist aber ebenfalls eine Frage der Leistbarkeit. So ehrlich muss man sein. Ja, Sars-CoV-2, wird nicht wieder aus unserer Mitte verschwinden. Ja, wir werden auch mit diesem Virus leben lernen müssen. Aber das können wir eben nur, wenn der überwiegende Teil der Menschen sich impfen lässt.

Wenn Impfstoffe für Milliarden Menschen mit Hyper-Geschwindigkeit entwickelt und im Eilverfahren geprüft und zugelassen werden, sind Zweifel an der hundertprozentigen Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften logische Begleiter. Jetzt gilt es, diesen Zweifeln die Grundlagen zu entziehen. Die Politik allein wird das nicht schaffen, dazu braucht es erneut einen Kraftakt von Behörden und Wissenschaft. Nach all der Verunsicherung und dem Misstrauen braucht es bei den Impfstoffen wie nirgend sonst Sicherheit und Vertrauen.