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Trumps letzter Kampf

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Trump hat den Kampf um die Institutionen verloren. Jetzt setzt er auf die Bürger als Schwachstelle.


Wir haben uns angewöhnt, viel, zu viel in die Idee von Demokratie hinein zu verpacken. Donald J. Trump macht deutlich, dass es immer noch auf die einfachsten Grundregeln ankommt. So verstanden besteht Demokratie im Kern aus der Macht, die Herrschenden auf friedlichem Weg loszuwerden.

Indem Trump nach Wochen hartnäckiger Verweigerung doch den Weg freigibt für den Überleitungsprozess der neuen Regierung unter Joe Biden, erfüllt der Republikaner immerhin die rechtlichen Vorgaben. Im Falle einer fortgesetzten Blockade hätte er sich des vorsätzlichen Rechtsbruchs schuldig gemacht. Immerhin dieses Mindestmaß an Respekt kann die US-Demokratie ihrem Präsidenten noch abtrotzen.

Entgegen den Befürchtungen ist es Trump also nicht gelungen, die demokratischen Institutionen der Vereinigten Staaten auszuhöhlen: Der Präsident hat - ganz in seiner Rolle als "First Bully" - gefordert, gedrängt und offen Druck ausgeübt. Aber nach derzeitigem Wissensstand war kein Bezirksrichter und kein Verantwortlicher für die Stimmenauszählung in den umstrittenen Bundesstaaten bereit, dem Machtwillen des Präsidenten als Schutzmantel zu dienen. Und das, obwohl die meisten selbst Republikaner, also Anhänger der Partei Trumps, sind. Ob aus rechtsstaatlicher Überzeugung oder aus nackter Angst vor den Folgen eines offenen Gesetzesbruchs, sei dahingestellt, es ist allerdings auch zweitrangig. Am Ende zählt allein das rechtskonforme Verhalten, auch wenn ein intakter moralischer Kompass der Betroffenen in Bezug auf richtig und falsch die gewiss sympathischere Begründung wäre.

Doch während Trump gegen die Institutionen der US-Demokratie den Kürzeren zieht, zielt er auf die Bürger als den möglichen Schwachpunkt jedes demokratischen Systems. Um als neue Regierung anerkannt zu werden, reicht in der Demokratie die Mehrheit der Stimmen oder Wahlmänner nicht. Auch die Mehrheit der unterlegenen Seite muss den Sieg der anderen akzeptieren. Der Slogan "Not My President" (gilt auch für "Nicht mein/e Kanzler/in") beginnt die Legitimität des demokratischen Systems anzugreifen, wenn seine Anhänger zu einer kritischen Masse werden.

Trump wird nach allen bisherigen Erfahrungen mit seiner Persönlichkeit den Sieg Joe Bidens niemals anerkennen. Das muss man als Affront und kann man als Tabubruch bezeichnen. Spielentscheidend ist jedoch, wie viele Bürger der USA Trump auf seinem Weg folgen werden. Diese Schlacht ist nicht entschieden. Ihr Ausgang wird über die Zukunft der US-Demokratie entscheiden.