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Vernünftig vorsichtig

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Um einen dritten Lockdown zu vermeiden, verlängern wir also den zweiten.


Um einen dritten harten Lockdown zu vermeiden, läuft es also darauf hinaus, den zweiten um weitere Wochen zu strecken. Fürs Erste sollen deshalb allein der Handel und die Schulen kommende Woche wieder öffnen. Wie lange welche weiteren Beschränkungen dann noch in Kraft sein werden, getraut sich keiner zu sagen, jedenfalls nicht laut. Wahrscheinlich so lange, bis ein dritter Lockdown mit Gewissheit ausgeschlossen werden kann, und das wird sich erheblich ins neue Jahr ziehen. Denn so viel steht außer Zweifel: Von jetzt an bis zur endgültigen Überwindung der Pandemie durch die möglichst umfassende Impfung aller Bevölkerungsgruppen darf sich diese Bundesregierung, darf sich keine Regierung mehr gröbere Schnitzer und Fehleinschätzungen erlauben, die die ohnehin zuvor schon unvorstellbare Schadensbilanz des Coronavirus weiter nach oben treiben würde.

Mit mehreren Impfstoffen an der Startlinie ist nicht nur ein Ende dieses Schreckens absehbar, sondern wohl auch der bisher durchaus großzügigen Toleranzschwelle der Bürger für die Fehlbarkeit ihrer Regierenden. So knapp vor dem Ziel sollte besser nichts mehr schiefgehen. Den direkten Vergleich mit Staaten, die es dann tatsächlich besser gemacht haben werden, könnte keine Regierung mehr so schnell wieder vergessen machen.

Diese Aussicht auf ein Ende der Pandemie und die Ahnung, dass ab jetzt Fehler politisch wirklich langfristige negative Folgen haben können, ist - neben dem zentralen Ziel, das Gesundheitssystem nicht über die Grenzen seiner Belastbarkeit hinaus zu führen - ein wesentlicher Faktor, der die Bundesregierung zur maximalen Vorsicht treibt und vor jedem neuerlichen Risiko zurückscheuen lässt.

Das ist für viele Menschen zweifellos alles andere als leicht zu akzeptieren, angesichts der ungeheuren epidemiologischen Wucht, die dieses Virus innerhalb kürzester Zeit zu entfalten vermag, ist es aber mit Sicherheit die richtige Strategie. Lockerungen kann es nur geben, wenn der entsprechende Bereich ein wirkungsvolles Sicherheitsnetz gegen die Verbreitung des Virus praktiziert. Besteht dieses den Praxis- und Vernunfttest, sollen Lockerungen in den einzelnen Bereichen umgesetzt werden, und zwar egal, ob es sich um Cafés, Restaurants, Friseure oder Skipisten dreht.

Wo nicht, muss weiter Zuwarten das Gebot der Stunde sein. Das Stadium rein symbolischer Politikschlachten um das Zusperren (oder Öffnen) von des Gegners liebstem Steckenpferd sollten wir endlich hinter uns lassen. Siege in dieser Kategorie sind nämlich das Kurzlebigste überhaupt - und ganz besonders inmitten einer Pandemie.