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Macht VW Nokias Fehler?

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Die europäische Autoindustrie muss auf E-Autos setzen.


1996 hatte es der Mobiltelefonie-Konzern Nokia wieder einmal allen gezeigt: Der finnische Konzern brachte das erste Smartphone auf den Mark, ein ganzer PC im Westentaschenformat, das war eine Sensation. Bis 2008 dominierte Nokia den Mobiltelefon-Markt und feierte Jahr um Jahr Umsatzrekorde. Doch die Innovationskraft des finnischen Konzerns ließ nach, Nokia hielt an scheinbar bewährten Technologien fest, als am Horizont bereits die neuen Touchscreen-Smartphones auftauchten. Das Resultat ist bekannt: Apple stahl Nokia die Show, heute beherrschen neben Apple Samsung, Huawei und Xiaomi den Smartphone-Markt. Nokia spielt keine Rolle mehr.

Nun hat Apple angekündigt, in den E-Automarkt einzusteigen. Apple hat enormes Know-how bei der Entwicklung von leistungsfähigen Batterien. Batterien sind das Herzstück eines E-Autos.

Nicht wenige Manager in Wolfsburg sollten sich nun die Frage stellen: Könnte sich das Nokia-Schicksal in der Automobilbranche für Volkswagen wiederholen?

Das ist für den deutschen Automobilkonzern - und für die anderen Autobauer in Europa - eine reale Gefahr. Der US-Elektroautogigant Tesla baut gerade eine "Gigafactory" in der Nähe der deutschen Hauptstadt Berlin - Tesla sieht offenbar erhebliches Marktpotenzial in Europa, der Bau der Fabrik im Autoland Deutschland hat aber auch hohen Symbolgehalt. Österreich ist eine bedeutende Autobau- und Zuliefernation, genauso wie die Nachbarn Slowakei und Ungarn. Wenn VW, Peugeot, Renault, BMW, Mercedes/Daimler und Fiat Marktanteile verlieren, werden die Volkswirtschaften der EU leiden.

Die Signale, die derzeit ausgesandt werden, sind für Marktbeobachter eher beunruhigend: Erst vor ein paar Tagen hat die Umweltorganisation Greenpeace "Mystery Shopper" in die Autohäuser geschickt, die sich dort nach dem VW-Elektroauto ID.3 erkundigen sollten - den Recherchen von Greenpeace zufolge war das Interesse der VW-Händler, das Elektromodell zu verkaufen, eher verhalten. Aber warum eigentlich? Die Händlermarge ist geringer, der Beratungsaufwand höher - das ist nicht unbedingt ein Anreiz für die Autohändler, den Kunden den ID.3 zu verkaufen. Der Vorwurf von Greenpeace lautet: VW will, weil E-Autos weniger profitabel sind, bei den von der EU vorgegebenen CO2-Einsparungszielen gerade über die Ziellinie kommen - mehr nicht. Das heißt: Nur gerade so viele Elektroautos verkaufen, dass man die EU-Flottenziele erreicht.

VW dementiert: Bis 2025 will Volkswagen Weltmarktführer in der E-Mobilität werden. Man darf gespannt sein, ob es VW und den anderen europäischen Herstellern gelingen wird, dem Nokia-Schicksal zu entgehen.