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Die Chance der CDU

Von Alexander Dworzak

Leitartikel
Alexander Dworzak ist Außenpolitik-Redakteur der "Wiener Zeitung".

Es gibt keinen Wunderwuzzi für den CDU-Vorsitz, selbst Angela Merkel wuchs erst mit dem Amt.


Armin Laschet: zu sprunghaft. Friedrich Merz: von gestern. Norbert Röttgen: ein Leichtgewicht. Die Kandidaten für den CDU-Vorsitz werden vor der Wahl am Samstag medial extrem kritisch beäugt. Ja, über den alles überstrahlenden Wunderwuzzi verfügen die deutschen Konservativen nicht.

Aber auch gegenüber Angela Merkel herrschten große Vorbehalte, als sie im Jahr 2000 den Parteivorsitz erklomm. Ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer wurde hingegen 2018 mit Vorschusslorbeeren bedacht. Der Ausgang ist bekannt: Für "AKK" erwies sich das Amt als eine Nummer zu groß. Merkel ist zwar nicht mehr Parteichefin, aber weiterhin die alles überstrahlende politische Persönlichkeit in Deutschland und der EU.

Vorschnelle Urteile über die drei jetzigen Bewerber sind daher nicht angebracht. Wie rasch sich das Blatt wenden kann, zeigt die Corona-Krise. Sie hat der in Umfragen zuvor desaströsen Union einen Höhenflug beschert. Noch vor einem Jahr hätte nur ein Viertel der Deutschen ihr Kreuz bei CDU und CSU gemacht. Heute sind es rund 35 Prozent.

Diese Chance gilt es für die Union zu nutzen. Die CDU als eine der letzen verbliebenen Volksparteien Europas vereint, was inhaltlich kaum unter einen Hut zu bringen ist: die Haltungen von Christlich-Sozialen, Wertkonservativen und Wirtschaftsliberalen. Widersprüche übertünchte sie stets mit Pragmatismus und - anders als die SPD - dem unbedingten Willen zur Regierungsbeteiligung, der interne Bruchlinien in den Hintergrund rückte.

Überspannen darf man diesen Bogen aber nicht. Merkel hat zwar vier Siege bei Bundestagswahlen eingefahren. Sie schaltete aber allzu lange nach Belieben aus dem Kanzleramt, die Partei diente nur noch zum Abnicken. Die Wähler wünschen aber Diskussionen über Inhalte. Öffentliche Selbstzerfleischung goutieren sie jedoch ebenso wenig wie ermüdende Dauerdebatten.

CDU und CSU sollten sich daher nicht unendlich Zeit für die Entscheidung nehmen, wer die Union als Kanzlerkandidat bei der Wahl im Herbst anführt. Dass Armin Laschet und Norbert Röttgen dann Gesundheitsminister Jens Spahn oder CSU-Chef Markus Söder den Vortritt lassen könnten, ist vorstellbar. Schon viel weniger, dass sich Friedrich Merz unterordnet.

Ein gutes Zusammenspiel ist in den kommenden Jahren aber unabdingbar, nach der Corona-Krise müssen Lösungen für Wiederbeschäftigung, Wachstum, Abbau der Staatsschulden und Umbau der Wirtschaft mit Bedacht auf die (Auto-)Industrie gefunden werden. Dass dies wohl erstmals in einer Koalition mit den Grünen passieren wird, macht die Aufgabe nicht leichter.