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Stürmer und Nehmer

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Nicht alles, was geheim sein will, muss groß öffentlich gemacht werden. Manches sehr wohl.


Das Geheimnis wirkungsvoller Geheimdienstarbeit steckt im Adjektiv "geheim". Das sollte man in einer Zeit, in der das Bundesamt für Terrorismusbekämpfung einer Fundgrube für Medienberichte gleicht, nicht völlig aus den Augen verlieren.

Öffentlichkeit für Verborgenes kann nicht nur Politik und Bürger für unsichtbare Gefahren sensibilisieren, sie kann auch zu einer Form von verquerer PR für Gruppen werden, die durch dieses Scheinwerferlicht noch größer und bedrohlicher erscheinen, als sie es womöglich in der Wirklichkeit sind. Das ist eine feine, schwer zu ziehende Unterscheidung.

Der Umstand, dass einige Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker und Rechtsextremisten in Chats gewaltsame Umsturzfantasien gegen Institutionen der Republik und Medien gewälzt haben, deutet auf die Vorbildwirkung des Trump’schen Mobs hin, der auch hierzulande Bewunderer zur Nachahmung zu verführen droht. Gegen solche und ähnliche Gefährdungen haben die Behörden auf der Hut und allzeit gewappnet zu sein. Ihnen auch noch 15 Minuten an Medienruhm zu gönnen, ist des Guten zu viel. Österreichs Demokratie ist kein Kartenhaus, das von einigen Verrückten und Extremisten erschüttert werden kann.

Apropos verborgene Vorgänge, die nicht für das Licht der Öffentlichkeit bestimmt sind: Die gewählten Volksvertreter in den Städten und Gemeinden sind das breite und starke Fundament dieser Demokratie. Umfragen bescheinigen den Politikerinnen und Politikern in den Kommunen regelmäßig eine weit überdurchschnittliche Vertrauenswürdigkeit, weil sie im Gegensatz zur Bundes-, aber auch Landesebene alltäglichen Kontakt zu ihren Bürgern haben und als erste Anlaufstelle für praktisch alle Sorgen zur Verfügung stehen.

Umso verstörender - und verstörend selbstbezogen - ist es, dass ausgerechnet Stadt- und Gemeindepolitikern das Gespür dafür abhandengekommen ist, was geht und was eben nicht. Seit Tagen werden immer mehr Fälle bekannt, in denen Bürgermeister und andere Kommunalpolitiker sich selbst gegen das Coronavirus impfen haben lassen, ohne dazu berechtigt zu sein. Zweifellos sind sie nicht die Einzigen: Gelegenheit macht Diebe, heißt es, und hier bewahrheitet sich diese "condition humaine" einmal mehr.

Die hier zum Ausdruck kommende Nehmer-Natur wird eine für die Betroffenen peinliche Fußnote bleiben, wenn, was zu hoffen und noch mehr zu erwarten ist, die größte Impfaktion der Geschichte grosso modo schnell und reibungslos verlaufen wird. Falls nicht, wuchert hier eine sehr viel größere Gefahr für das Zutrauen in das politische System als in den Möchtegern-Umstürzlern.