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Guter Stoff für alle

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Nach dem Virus entgleitet uns jetzt der Umgang mit der einzig erfolgreichen Maßnahme, der Impfung.


Die Evolution hat uns Menschen auf Optimismus gepolt. Die Überzeugung, dass die Welt - und wir Menschen mit ihr - den Bach hinuntergeht, taugt ja auch nicht wirklich als Grundlage für Familiengründung und andere Zukunftspläne. Dieser Hang zum "Wird-scho-wieder" begleitet uns mit bewundernswerter Hartnäckigkeit durch alle Stufen dieser Pandemie.

Geholfen hat es bisher wenig bis nichts, längst sind viele auch seelisch mürbe. Und seit es endlich eine Impfung gibt, geht - getreu nach Murphys Gesetz - schief, was nur schiefgehen kann. Nach dem Virus entgleitet uns jetzt der Umgang mit der bis einzig erfolgversprechenden Maßnahme, der Impfung.

Die Meldung des "Handelsblatt" von Montagabend, wonach der vor der Zulassung durch die EU-Arzneimittelbehörde stehende Impfstoff von AstraZeneca bei älteren Menschen nur auf einen Wirkungsgrad von acht Prozent kommt und deshalb, so die ebenfalls deutsche Boulevardzeitung "Bild", nur für Personen unter 65 Jahren freigegeben werde, ist eine Katastrophe, wenn sie korrekt sein sollte. Und die Wirkung ist womöglich noch fataler, wenn es sich dabei um zwei Falschmeldungen handeln sollte. AstraZeneca selbst und auch das deutsche Gesundheitsministerium dementieren jedenfalls den angeblich geringen Wirkungsgrad für Ältere. Am Freitag zeigt sich, was an den Berichten dran ist, wenn die Arzneimittelbehörde entscheidet.

Eine Teilzulassung nur für unter 65-Jährige würde das Vertrauen in den AstraZeneca-Impfstoff erschüttern, zumal angesichts der aktuellen Behauptungen und deren Dementis.

Schließlich stehen die eben noch als "Retter in der Pandemie" gefeierten Impfstoff-Hersteller nun plötzlich erneut im gut medial ausgeleuchteten Klischee vom profitgeilen "Big Pharma": Die mehr als unklaren Hintergründe um die teils massiven Lieferkürzungen für die EU schaffen diesen Imagewandel im Handumdrehen. Sogar das böse Wort vom Ausfuhrverbot fällt aus einem Politikermund, wird dann aber schnell wieder korrigiert. Das hatten wir schon einmal ganz zu Beginn der Corona-Krise, als Staaten die Lieferung von medizinischer Schutzausrüstung blockierten. Dieser Streit zwischen der EU und den Pharmafirmen kann noch hässlich werden.

Übrigens sind weitweit rund 1,5 Milliarden Menschen älter als 65. Und längst nicht alle leben im reichen Norden. Ab Mai beginnt im Süden der Winter. Momentan spricht wenig dafür, dass wir uns dann auch um die Sorgen der anderen kümmern können - außer einer vagen Zuversicht. Nur war auf die bisher kein Verlass.