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Zum Machtwort gezwungen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Die Tiroler ÖVP hat - gewollt oder ungewollt - die Autorität des ÖVP-Kanzlers herausgefordert.


Es ist der Gesundheitsminister, der verfassungsmäßig in einer Pandemie - und jeder anderen Gesundheitskrise - über die volle Machtbefugnis verfügt. Aber, so ehrlich muss man sein: Der Kanzler ist gefordert.

Dieser Notwendigkeit ist Sebastian Kurz am Dienstag endlich nachgekommen, nachdem er in den vergangenen Tagen beim Konflikt mit der Tiroler Landespolitik hinter den Kulissen agiert und Gesundheitsminister Rudolf Anschober das - undankbare - Scheinwerferlicht überlassen hatte.

Diese Krise war von Anfang an die schwerste Gesundheits- und Wirtschaftskrise seit 1945 und darüber hinaus in vielen Fällen ein Wettlauf der obersten politischen Krisenmanager in den Präsidentenpalästen und Kanzlerämtern. Nicht immer ganz freiwillig, aber manchmal eben schon. Österreich, und keineswegs nur der Bundeskanzler, hat sich für diesen Vergleich vom ersten Tag der Krise an gewappnet gefühlt. Diese Zuversicht war keineswegs immer gerechtfertigt. Aber Ranglisten von allem möglichen zu erstellen, ist schlicht auch Teil der ersten Natur jenes atemlosen Digitaljournalismus, der immer nur Sieger und Verlierer kennt.

Die Debatte um die Lage in Tirol ist politisch wie emotional in den vergangenen Tagen eskaliert. Und dies vor den aufmerksamen Augen einer argwöhnischen und mit Klischees üppig aufmunitionierten europäischen Öffentlichkeit (noch reicher als ohnehin in Österreich). Hier ging es längst nicht mehr allein ums Image des Tourismuslandes Tirol, sondern zunehmend auch um die politische Führungsstärke des österreichischen Kanzlers. Deutsche Medien fungieren dabei sowohl als Perspektivenfilter wie auch als Megafon für den Rest Europas.

Die Tiroler ÖVP hat den Kanzler zum Machtwort gezwungen, des Kanzlers Autorität stand nun im Scheinwerferlicht. Kein Krisenmanager kann es sich leisten, von weisungsgebundenen Organen - und das sind die Tiroler Behörden in einer Pandemie - vorgeführt zu werden. Auch in Tirol hätten die Verantwortlichen schnell zu diesem Schluss kommen können, wenn die überschießenden Emotionen sie nicht blind und taub gemacht hätten.

In der Sache selbst signalisiert Österreich mit den Maßnahmen in Tirol den europäischen Partnern und eigenen Bürgern Handlungsfähigkeit. Die weitere Ausbreitung der brandgefährlichen südafrikanischen Mutation des Coronavirus wird nicht allein in Tirol entschieden. Aber eben auch. In einigen Wochen werden wir wissen, ob dieses Signal auch die richtigen Folgen bewirkt.