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Im Zweifel eher Buddha

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Für Aktivisten werden der Staat und seine Organe immer öfter zum Feindbild. Wie soll man damit umgehen?


Es gibt Menschen, die keine Gelegenheit für einen guten Streit auslassen. Das ist, jedenfalls zwischenmenschlich, keine angenehme Charaktereigenschaft. Nicht zuletzt, weil damit meistens eine schwer erträgliche Attitüde des Ich-habe-immer-recht einhergeht. Solche Menschen finden sich auch in der öffentlichen Arena, und ihre Lust am Streit trifft hier nicht selten mit dem Hang zu exzessiver Polemik zusammen.

Nettigkeit ist keine politische Kategorie, dafür ist chronische Widerspenstigkeit ein systemischer Faktor für die freie Gesellschaft. Die Qualität einer Öffentlichkeit misst sich auch am Umgang mit Grenzgängern. Es gibt Leichteres, als verlässlich das Maß zu finden.

Dass etwa das Innenministerium seit Tagen damit liebäugelt, die heißblütigen wie grenzüberschreitenden Polemiken eines linken Aktivisten juristisch zu verfolgen, ist das, was es ahnden will: eine Grenzüberschreitung. Der Staat verheddert sich nicht nur heillos im Paragrafendschungel, sondern provoziert auch ähnliche Solidaritätsaktionen, wollte er gegen geschmacklose, beleidigende Äußerungen in den Sozialen Medien vorgehen. Mehr Gelassenheit und das Gemüt eines Buddhas stehen der Republik besser zu Gesicht.

Aber man darf es sich auch nicht zu einfach machen. Worte können Waffen sein. In Spanien gibt es eine erbitterte Auseinandersetzung über den Umgang mit Aktivisten, die sich auch als Künstler verstehen. Proteste erschüttern das Land, weil die Polizei einen Rapper verhaftet hat, der Spanien als faschistisch und die Monarchie als korrupt bezeichnet, sich mit Terroristen solidarisiert und Gewaltfantasien gegen Gegner hegt.

Was tun? Der Terror-Paragraf, auf dem solche Verurteilungen fußen, bedarf einer gründlichen Überarbeitung und Konkretisierung. Aber wo endet die künstlerische Freiheit, wo beginnt die Gefährdung des inneren Friedens? Der Katalonien-Konflikt wird auch deshalb so unversöhnlich geführt, weil radikale Separatisten dem Zentralstaat die Demokratie absprechen und so indirekt sogar Gewalt gegen diesen Staat legitimieren. Das ist indiskutabel, hier braucht es klare juristische Grenzen des Zulässigen.

An der Gesellschaft - das heißt: uns allen, Medien inklusive - ist es, die öffentliche Debatte und ihren Ton nicht von den Radikalen kapern zu lassen. Die Spaltung einer Gesellschaft fällt nicht vom Himmel. Wie es enden kann, war am 6. Jänner beim Sturm auf das US-Kapitol zu beobachten. Worte haben Wirkung. Und am besten wirkt es, wenn jemand von seiner eigenen Echokammer zur Mäßigung aufgefordert wird.