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Kopflos auf den letzten Metern

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Ignoranz in der Ostregion, Hü-Hott in Deutschland, Inszenierungen in Brüssel.


Auf den - hoffentlich! - letzten Metern dieser Pandemie liegen die Nerven der Politik für alle ersichtlich blank. Statt den genervten, erschöpften, besorgten und in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten Menschen Sicherheit und Orientierung zu vermitteln, agieren die Verantwortlichen getrieben und kopflos. Da sind etwa die drei Landeshauptleute Wiens, Niederösterreichs und des Burgenlands, die erst nach einem Privatissimum mit den Experten bereit waren, den akuten Ernst der Lage in ihren Bundesländern zu erfassen und sich zur Zustimmung weiterer Maßnahmen zu bequemen. Zuvor dominierte eine Mischung aus Nicht-wahrhaben-wollen und Es-wird-schon-gut-gehen. Diese Verantwortungsvergessenheit wird noch durch die reale Zuständigkeitsverteilung befördert, weil rechtlich eine Zustimmung der Länder gar nicht nötig ist: Für die Pandemiebekämpfung ist nämlich in dieser Republik immer noch Gesundheitsminister Rudolf Anschober zuständig.

Hinzu kommt die neueste sprachliche Behübschung des epidemiologisch Notwendigen: Statt von einem "harten Lockdown" ist jetzt, seit die "Auferstehung" endgültig abgesagt ist, von "Osterruhe" die Rede. Das erinnert an das legendäre "Türl mit Seitenteilen" am Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Deprimierend, aber wahr: Die Politik ist bei der Pandemie noch immer auf der Suche nach dem richtigen Ton.

Wie sehr die Krise an sämtlichen Nerven zerrt, zeigt auch die spektakuläre Kehrtwende der deutschen Politik: Deren Beschluss einer konsequenten "Osterruhe" überlebte kaum 24 Stunden und einen Aufschrei der verschiedensten Interessengruppen; dann nahm Bundeskanzlerin Angela Merkel die Entscheidung zurück und entschuldigte sich für die angerichtete Verunsicherung.

Unterdessen wird, was eigentlich eine knallharte Managementaufgabe hätte sein sollen, nämlich die Beschaffung und Verteilung der Impfstoffe durch die EU, aus purer Not und Hilflosigkeit unsinniger- und unnötigerweise politisiert. Im Kern trifft die jüngste Kritik von Bundeskanzler Sebastian Kurz sehr wohl einen Punkt, doch statt die offenen Fragen hinter den Kulissen anzusprechen und die Probleme zu beseitigen, hat seine öffentliche Inszenierung zur ebenso öffentlichen Retourkutsche der Kritisierten geführt.

Hoffentlich gibt sich das Virus demnächst der Impfung geschlagen. Ansonsten ist zu befürchten, dass der systemische Schaden an den politischen Institutionen von Dauer sein wird.