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Friedhof der Imperien

Von Thomas Seifert

Leitartikel

In Afghanistan endet nun der längste Krieg der US-Geschichte.


Afghanistan - der Friedhof von Imperien: Alexander der Große, das British Empire, die UdSSR und nun die USA - sie alle scheiterten daran, Afghanistan dauerhaft zu besetzen. Tatsächlich ist die Sowjetunion nicht wegen Afghanistan implodiert, und das britische Imperium hat in Afghanistan zwar Schrammen abbekommen, das Weltreich zerbröselte aber erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Treffender ist also der Begriff: Schlachtfeld der Imperien. Denn Afghanistan liegt an den zentralen Verkehrsknotenpunkten der Region: Schon die südliche Seidenstraße führte durch Kabul, und der kürzeste Weg von Zentralasien zum Arabischen Meer geht über Afghanistan und Pakistan.

Nun endet der längste Krieg der US-Geschichte: Nach fast 20 Jahren ziehen sich die Amerikaner aus Afghanistan zurück. Die Strategen in Washington betrachteten Afghanistan schon seit einigen Jahren als eine lästige Mission, die von der wahren Herausforderung China ablenkte. Colin L. Powell, ein früherer Generalstabschef und Ex-Außenminister, brachte den Vergleich mit der UdSSR ins Spiel: Die Sowjets seien 1989 ebenfalls abgezogen. Sie seien müde geworden und nach Hause gegangen. "Wie lange hat sich irgendjemand daran erinnert?"

China (das über den sogenannten Wakhan-Korridor an Afghanistan grenzt) könnte in der Region tatsächlich in Schwierigkeiten geraten: Der harsche Umgang mit der uigurischen Minderheit in Chinas Westprovinz Xinjiang macht die Führung in Peking in den mehrheitlich muslimischen Ländern Zentralasiens nicht unbedingt beliebt. China hat aber bereits Arrangements mit den Taliban getroffen und verspricht dem Taliban-Anführer Hibatullah Akhundzada Hilfe bei Entwicklungsprojekten.

Die USA und deren Nato-Verbündete müssen sich die Frage gefallen lassen, warum es trotz Milliarden-Investitionen (es ist mehr US-Geld nach Afghanistan geflossen als in den Marshall-Plan zum Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg) nicht gelungen ist, Afghanistan zu befrieden und zu stabilisieren. Warum hat Washington auf korrupte politische Eliten in Kabul gesetzt und dabei versagt, in 20 Jahren eine afghanische Zivilgesellschaft aufzubauen?

Auch den Europäern kann der Vorwurf nicht erspart bleiben, Afghanistan als Problem ignoriert zu haben. Zwar haben Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien und sogar Österreich Truppen entsandt, eine Afghanistan-Strategie der EU war aber nie erkennbar. Dabei hat Europa vergessen, dass die Entfernung von Kabul nach Washington rund 11.000 Kilometer beträgt - von Kabul nach Wien sind es aber nur 4.500 Kilometer. Letztlich wird Afghanistan ein Problem der Europäer bleiben und nicht eines der USA.