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Verschiebungen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Europäisierung - wenn die Wahl im industriestärksten Bundesland weniger wichtig ist als ein neuer Kanzler in Berlin.


Wer nach einem bemerkenswerten Beleg für die nachhaltige und anhaltende Europäisierung des kleinen Österreichs sucht, der findet ihn in dem Umstand, dass die oberösterreichische Landtagswahl weit weniger Einfluss auf die Politik haben wird als die deutsche Bundestagswahl, die beide am kommenden Sonntag stattfinden.

Nach menschlichem Ermessen wird der alte Landeshauptmann in Linz ident mit dem neuen sein. Sowohl ÖVP wie auch Grüne können mit einem Plus rechnen, das ist durchaus bemerkenswert für zwei Regierungsparteien im Bund, ist aber primär dem desaströsen Abschneiden der Volkspartei 2015 geschuldet. Spannung über den Wahltag hinaus verspricht allein die Frage, für welchen Regierungspartner sich die Landes-ÖVP entscheidet: Weiter mit der FPÖ oder doch zurück zu den Grünen, mit der die Volkspartei zuvor zwölf Jahre lang koalierte?

So oder so werden sich die Folgen für den Bund in beschaulichen Grenzen halten. Das wird sich vom Ergebnis der deutschen Bundestagswahl eher nicht behaupten lassen, und zwar völlig unabhängig davon, ob es nun tatsächlich zur Wachablöse im Berliner Kanzleramt von der christdemokratischen Union hin zur SPD kommt oder es CDU/CSU doch gelingt, in den Wochen nach der Wahl eine regierungswillige Mehrheit im Bundestag zu finden.

Der absehbare Absturz der Unionsparteien wird die Debatte über die künftige politische Ausrichtung der Europäischen Volkspartei (EVP), der heterogenen Parteienfamilie von Konservativen und Christdemokraten im EU-Parlament, nicht nur befeuern, sondern massiv zuspitzen. Dafür wird allein schon der nach dem Wahltag einsetzende Richtungsstreit in CDU und CSU sorgen, und zwar unabhängig davon, ob sich Kanzlerkandidat Armin Laschet auf den letzten Metern doch den Kanzlersessel sichern kann. Falls nicht, steht den deutschen Christdemokraten ohnehin eine Generalabrechnung ins Haus, bei der heute wohl niemand zu sagen vermag, was am Ende herauskommen wird.

Das klingt nach einer rein internen Angelegenheit der Bundesrepublik, doch tatsächlich werden die künftigen Entwicklungen in Berlin die gesamte Europäische Union in Beschlag nehmen, und Österreich ganz besonders. Das beginnt mit den dadurch ausgelösten Verschiebungen in der Parteienlandschaft und wird auch vor inhaltlichen Weichenstellungen im Brüsseler Maschinenraum nicht haltmachen. Nur die Kontinuität, die sich laut Umfragen so viele deutsche Bürgerinnen und Bürger wünschen, die wird es so schnell eher nicht geben.