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Volkspartei auf Verschwörungskurs

Von Daniel Bischof

Leitartikel
Daniel Bischof ist Innenpolitik-Redakteur bei der "Wiener Zeitung".

Mit der Rede von "linken Zellen" überschreitet die ÖVP rote Linien.


Geht es gegen die FPÖ und deren Anti-Impfkampagne, hat die ÖVP gerne das Etikett "Verschwörungstheoretiker" parat. Nach ihren jüngsten Attacken gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) könnte sich die ÖVP diese Bezeichnung aber selbst verpassen.

Der Nationalratsabgeordnete Andreas Hanger unterstellte der Behörde am Dienstag, dass dort "linke Zellen" tätig wären, die "politisch motiviert" vorgehen würden. Bisher waren "linke Zellen" mit Linksextremisten in Verbindung gebracht worden. Die Kanzlerpartei dehnt den Begriff nun auf eine Strafverfolgungsbehörde aus.

Das ist eine verbale Entgleisung, ein Überschreiten der roten Linie. Von einem Nationalratsabgeordneten kann ein Mindestmaß an Sprachgefühl erwartet werden. Von Hanger aber offenbar nicht. Dabei ist es gerade die ÖVP, die sich so oft über eine Verrohung der politischen Kultur beklagt.

Umso problematischer ist, dass die Worte von der ÖVP kaum aus Gedankenlosigkeit gewählt wurden. Die Provokation folgt einer Reihe an fragwürdigen Vorgängen. Während des Ibiza-U-Ausschusses ritt die ÖVP im Tagestakt Attacken gegen die WKStA und zeigte Staatsanwälte an. Vorige Woche sorgte sich Vize-Generalsekretärin Gabriela Schwarz wegen möglicher Hausdurchsuchungen in der Parteizentrale, ohne ins Detail zu gehen.

Munter spinnt man in der ÖVP den Opfermythos der von linken Mächten zu Unrecht verfolgten Partei - wohl schon im Hinblick auf eine mögliche Hauptverhandlung gegen Kanzler Kurz wegen falscher Beweisaussage.

Wie kann die ÖVP übersehen, welchen Schaden für den Rechtsstaat sie damit anrichtet? Wie sehr die Politisierung eine Behörde beschädigen und lähmen kann, müsste sie beim jahrelangen Streit ums Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bemerkt haben. Welcher Mensch, der die Richteramtsprüfung abgelegt hat, wird künftig bei der WKStA arbeiten, wenn er sich anhören kann, in einer "linken Zelle" zu werken, die mit ihren Ermittlungen quasi einen Putsch herbeiführen wolle?

Auch wird durch die Rundumschläge jede sachliche Debatte um Fehler der WKStA verunmöglicht. Die Behörde ist nicht sakrosankt. Defizite hat der Bericht des Ibiza-Verfahrensrichters Wolfgang Pöschl aufgezeigt.

Aber welche Vorschläge hat die ÖVP, um die oft überlangen Verfahren zu verkürzen? Wie will sie die Position des Haft- und Rechtsschutzrichters als Kontrollinstanz der Staatsanwaltschaften stärken? Dazu könnte sich eine staatstragende Partei etwas überlegen, anstatt fragwürdige Pressekonferenzen abzuhalten.