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Zehn Tage und eine Frage

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Was wird aus einer Parteien-Demokratie, wenn ihre Parteien der Grund für Instabilität sind?


Die Ereignisse der vergangenen zehn Tage werden der Republik, der Regierung und allen voran der ÖVP noch lange in den Knochen stecken. Und einmal mehr ist es unmöglich, auch nur halbwegs verlässliche Aussagen über den weiteren Lauf der Dinge zu treffen.

Überhaupt ist es diese grundsätzliche Unberechenbarkeit, die sich zu einem bemerkenswerten Charakterzug der österreichischen Innenpolitik entwickelt hat. Die Enkelgeneration der in die Jahre gekommen Zweiten Republik, verwöhnt von deren Sicherheit und Wohlstand, aber angeödet von der behäbigen Berechenbarkeit, sehnt sich nach Adrenalin und Coolness.

Das Ende alter Gewissheiten ist keine österreichische Besonderheit, im Gegenteil: Einmal mehr sprang die Alpenrepublik auf einen Zug auf, der in anderen Ländern längst Fahrt aufgenommen hatte. Und die Erschütterungen gehen auch bei uns verlässlich von den Parteien aus, was beruhigend ist, weil die Republik mehr ist als die Summe ihrer politischen Bewegungen. Andererseits ist ohne stabile Parteien keine stabile, berechenbare Politik zu haben. Die Neigung der FPÖ zur Implosion ist seit 1986 belegt, in der SPÖ tobt seit 2016 ein Machtkampf um die politische Grundaufstellung, und die Wiederauferstehung der ÖVP nach langem Siechtum dank Sebastian Kurz hat sich, Stand heute, als Potemkin’sches Dorf entpuppt.

Wie ein Treppenwitz der Geschichte mutet es dabei an, dass sich ausgerechnet jene Institutionen als Garanten für ein Mindestmaß an Stabilität erweisen, die noch vor kurzem als Blockierer oder gleich als aus der Zeit gefallen betrachtet wurden: Länder, Sozialpartner und Bundespräsident.

Alle drei verbindet, dass sie sich, obwohl grundlegend politisch und machtorientiert, bisher von der grassierenden Instabilität der Parteien abzukoppeln verstehen. Die Landeshauptleute, indem sie sich am Staatsoberhaupt ein Vorbild nehmen und Landtags- tunlichst ebenfalls zu Persönlichkeitswahlen umfunktionieren, während bei den Sozialpartnern ausgerechnet die repräsentativen Mängel eines vormodernen Wahlrechts für Stabilität sorgen.

Doch diese Stabilität kann die Gärungsprozesse in den Parteien allenfalls übertünchen, nicht kompensieren. Der Republik, die zweimal von den Parteien gegründet wurde und diese Parteien finanziell wie institutionell hegt, pflegt und privilegiert, drohen ihre bisher tragenden Säulen wegzubrechen. Viel Macht verlangt nach ebenso großer Verantwortung. Das eine sollte nicht ohne das andere zu haben sein. Nicht die Republik benötigt am dringendsten einen Reformkonvent, sondern ihre Parteien.