Zum Hauptinhalt springen

Der schwedische Weg

Von Simon Rosner

Leitartikel

Was das Hoffen auf baldige Sättigung ohne Lockdown heißt.


Die Welle wird brechen, das ist sicher. Nur wann? Und wie nachhaltig? Die erste Frage ist von unmittelbarer Bedeutung, da die Kapazitäten in den Spitälern zur Neige, die Fallzahlen aber noch nicht nach unten gehen. Die zweite Frage ist mittelfristig wichtig, weil der Winter noch lang ist und die Grippe auch wieder auf Besuch kommen wird. Auf beide Fragen müssen die politischen Institutionen Antworten finden. Sie können es aber offenbar nicht. Die ÖVP stemmt sich auf Bundes- und Landesebene gegen einen Lockdown für alle, den der (grüne) Gesundheitsminister befürwortet. Die Landeshauptleute wollen bundesweite Vorgaben und selbst keine tiefgreifenden Kontaktbeschränkungen verfügen; SPÖ und Neos legen sich mit voller Entschiedenheit derzeit nicht fest, und die FPÖ ist ohnehin gegen alles und für Wurmmittel. Das lähmt das System zu einem Zeitpunkt, an dem Entscheidungen notwendig sind.

Irgendwann wird die gegenwärtige Welle von alleine, also durch Sättigung, brechen. Wann genau, lässt sich seriös nicht prognostizieren. In einigen osteuropäischen Ländern ist es bereits passiert. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass dies in Österreich unmittelbar bevorsteht. Eine oder zwei Wochen machen dabei einen großen Unterschied.

Das System bricht nicht plötzlich zusammen. Aber die Versorgung wird schleichend schlechter, die Belastung für das Personal höher, was dann wiederum die Versorgung schwächt. Der gesamtgesundheitliche Schaden durch die Corona-Belastung hat längst begonnen, die Triage ist dabei nur das furchtbare Ende.

Der Lockdown für alle ist die effektivste, schnellste Maßnahme, aber auch jene mit dem größten wirtschaftlichen Schaden. Es ist richtig, dass die Politik das in ihre Überlegungen miteinbezieht. Doch sie muss auch Entscheidungen treffen. Fast alle EU-Staaten scheuen sich derzeit, Maßnahmen für Ungeimpfte zu erlassen. Nur Irland und die Niederlande (und Oberösterreich) haben bisher die Nachtgastronomie geschlossen. Das heißt auch, man ist bereit, einen höheren gesundheitlichen Schaden zu akzeptieren. Es ist de facto der schwedische Weg, den gerade alle beschreiten. Auch Österreich.

Wie hoch der zusätzliche Schaden am Ende sein wird, lässt sich heute nicht sagen. Kann man das riskieren? Und was ist danach? Die Belastung der Spitäler muss auch mittelfristig sinken, zumal eine niedrigere Inzidenz auch aus wirtschaftlicher Perspektive wichtig ist. Dafür wird auch ein Kurz-Lockdown zu wenig sein. Will man fortwährende Kontaktbeschränkungen vermeiden, kommt man um eine viel höhere Impfrate nicht herum. Nur wie? Auch dafür braucht es eine politische Antwort. Im Oktober waren bereits 40 Prozent für eine allgemeine Impfpflicht, im Nationalrat ist es niemand. Noch zumindest.