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Sinnsuche im Versagen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Das Wort vom "Staatsversagen" ist in vieler Munde. Weiter bringt uns konkrete Kritik.


Das starke Wort vom "Staatsversagen" ist in vieler Munde, seit sich Bundesregierung und Landeshauptleute epidemiologisch in eine Sackgasse gesteuert haben, aus der nur noch ein Lockdown herausführt. Und weil die meiste Aufmerksamkeit verlässlich an den größten Polemiker geht, wird Österreich da und dort sogar als "Failed State" gegeißelt, als gescheiterter Staat in einer Reihe mit Afghanistan und Sudan.

Letzteres ist natürlich Unsinn und steht eher in der literarischen Tradition der großen manischen Österreich-Beschimpfungen. Der Vorwurf des "Staatsversagens" ist dagegen präziser, zumindest wenn man diesen nicht bloß als zugespitztes Pauschalurteil versteht. Der Begriff stammt eigentlich aus den Wirtschaftswissenschaften, wo er staatliche Markteingriffe bezeichnet, die aus Marktperspektive zu suboptimalen Ergebnissen führen. Das klingt deutlich unaufgeregter.

Allerdings geht es genau um die Empörung über all die Fehler, die in diesen Lockdown führten, nicht um eine wissenschaftliche Debatte. Wenn die aktuellen Abrechnungen jedoch mehr als nur emotionales Abreagieren, sondern auch der Ausgangspunkt für Korrekturen sein sollen, muss man damit beginnen, konkrete Defizite zu benennen.

Am stärksten wurde in dieser Pandemie ein konzentriertes Krisenmanagement vermisst, das nicht den wechselnden Interessen gewählter Politiker, sondern ausschließlich der zu bewältigenden Krise verpflichtet ist. Das gilt auch für die Länder, wo es kein Lernen von den Besten gibt.

Die Abneigung weiter Teile der Bevölkerung gegen digitale Innovationen spiegelt die Schwäche und das Zögern bei der Entwicklung ebendieser in der Verwaltung wider. Die Verfügbarkeit aussagekräftiger Daten schafft Wissen, aber weil viel Wissen auch mehr Macht von irgendjemandem über irgendjemanden begründet, findet sich verlässlich immer ein Grund, warum diese oder jene Informationen nicht verfügbar sind. Für die Analyse der Pandemie und der Steuerung von Gegenmaßnahmen ist dies einer der größten Klötze am Bein der Republik.

Konkretes Versagen klar beim Namen zu nennen, ist auch die sicherere Wette auf Lerneffekte (wenn es so etwas in der Politik geben sollte). Dazu gehört auch, die Pandemiebilanz vergleichbarer Staaten einzuordnen. Die Niederlande begannen am Dienstag damit, Patienten nach Deutschland zu transferieren, weil zahlreiche Intensivstationen überlastet sind - die WHO warnt für 49 von 53 europäischen Staaten vor einer solchen Entwicklung im Winter. Die Qualität eines Staats erkennt man auch an der Treffsicherheit und Lösungsorientierung der Kritik an ihm.