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Kann der Neue Kanzler?

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

"Chancellor ist was anderes als die Kieberei", wusste schon (leicht abgewandelt) Maria Fekter.


Der Innenminister also. Am Freitag ist das Kanzler-Los in den Reihen der ÖVP in den Schoß von Karl Nehammer gefallen. Ob dabei mehr Eigeninitiative dahintersteckte als bei Alexander Schallenberg, lässt sich noch nicht mit Sicherheit feststellen. Ein Indiz: Der designierte neue Bundeskanzler und ÖVP-Obmann war Berufssoldat, bis er sich in den Dienst der ÖVP stellte.

Kanzler der Republik sein, das ist eine Auszeichnung und für die meisten Menschen, die in der Politik etwas werden wollen, das ultimative Karriereziel - außer man ist gerade Wiener Bürgermeister oder niederösterreichischer Landeschef. Doch nicht jedem bereitet das Amt Erfüllung. Man muss nicht nur wollen, sondern auch können, was die eigene Partei und den Koalitionspartner einschließt.

Hat Nehammer das Zeug, die Regierung zum Arbeiten zu bringen und die ÖVP in ihrem Sturzflug wieder zu stabilisieren? Schwer zu sagen, aber auszuschließen ist es genauso wenig - und eine bessere Aussicht ist für die ÖVP in ihrer gegenwärtigen Verfassung nicht zu haben. Vorausgesetzt, in der ÖVP ist jetzt jedem klar, wo die Partei steht - vor dem Abgrund nämlich.

Der ehemalige Innenminister verfügt über ein politisches Profil mit Kanten. Dass ihn die Konkurrenz genau wegen seiner Positionen in der Migrations- und Integrationspolitik ablehnt, ist kein Nachteil, solange diese den Erwartungen der eigenen Wähler entsprechen. Mindestens so wichtig wird sein, ob der Neue die fragile Koalitionsarchitektur mit den Grünen wieder zu stärken vermag. Die nächste Krise wird kommen, entscheidend wird dann sein, ob bis dahin das gegenseitige Vertrauen wieder intakt ist.

Aber, wie schon Maria Fekter in einem legendären, hier leicht abgewandelten Spruch wusste: "Chancellor-Sein ist was anderes als die Kieberei." (Die Ex-Innenministerin sprach von "Finance" angesichts ihres Aufstiegs zur Finanzministerin.) Auch Nehammer weiß, dass er sich als Kanzler politisch breiter aufstellen muss, um im persönlichkeitsgetriebenen Öffentlichkeitsmarathon, zu dem die Politik geworden ist, die nötige Strahlkraft zu gewinnen.

Den Spielraum dazu soll ihm offensichtlich der neue Innenminister verschaffen. Für den Niederösterreicher Gerhard Karner ist in der Neuaufstellung der ÖVP die bisherige Rolle Nehammers als "Law & Order"-Hardliner vorgesehen, der den Abfluss ehemals türkiser Wähler zurück zur FPÖ stoppen soll. Zur neuen Aufgabe Nehammers wird es gehören, dass die politische Mitte für die ÖVP nicht verloren geht.

Kann der Neue das? Unmöglich ist es nicht. Und bessere Aussichten sind für die ÖVP derzeit nicht zu haben.