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Wer Verantwortung trägt

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Die Chance neuer Köpfe liegt darin, einen klareren Blick auf die vielfache Krise zu ermöglichen.


Manchmal schafft es die stärkste Meldung nicht in die großen Schlagzeilen. Während am Montag alle Augen auf die Angelobung von Karl Nehammer zum Bundeskanzler gerichtet waren, erklärte die oberösterreichische Gesundheitsholding - das ist der regionale Krankenhausbetreiber -, dass ab sofort in allen Kliniken Sicherheitskräfte eingesetzt und bestehende Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden. Zuvor hatten in einem Spital die Angehörigen einer verstorbenen Covid-Patientin Mitarbeiter attackiert und mit dem Umbringen bedroht. Ein Einzelfall, aber einer, der angesichts der Emotionen um die Pandemiemaßnahmen Nachahmer finden könnte.

Wenn Gewalt ins Spiel kommt, muss zwingend nach der Verantwortung der Politik für diese Eskalation einer gesellschaftlichen Krise gefragt werden. Dabei sollte sich keiner vorschnell von jeder Schuld reinwaschen. Solche Emotionen fallen nicht vom Himmel. Die Fehler und Versäumnisse der Bundesregierung haben einen Beitrag dazu geleistet, dass das Vertrauen in die politischen Verantwortlichen im Keller ist. Doch Fehler und Versprechen, die sich im Nachhinein als unhaltbar erweisen, sind das eine; etwas ganz anderes ist es, die Wut, Frustration und Enttäuschung anzustacheln, wie es die FPÖ tut, - und zwar mit kalkulierten Lügen, dem Spiel mit Halbwahrheiten und mangelnder Abgrenzung zu jenen, die jenseits des Verfassungsbogens agitieren.

FPÖ-Obmann Herbert Kickl droht die Kontrolle über die Geister, die er mit seiner Corona-Strategie weckt und anzieht, zu verlieren. Es ist nicht gleichgültig, wohin sich eine der drei Mittelparteien dieses Landes entwickelt, schließlich tragen zahllose Funktionäre der FPÖ konkrete Verantwortung in der Republik. Dass es keine öffentliche Widerrede zu den Aussagen der freiheitlichen Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch gibt, die behauptet, die Spitäler seien voll wegen der vielen Patienten mit Impfnebenwirkungen, ist erschütternd.

Trotzdem ist es die Regierung, die den Löwenanteil der Verantwortung für das Land trägt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei der Angelobung des neuen ÖVP-Teams einen klaren Auftrag an Türkis-Grün in der Pandemie erteilt: unverzüglich und gemeinsam arbeiten, geschlossen kommunizieren, nichts versprechen, was später nicht zu halten ist. Klingt einfach, hat aber bisher nicht geklappt.

Dass Nehammer unmittelbar nach seiner Angelobung zum Bundeskanzler den Willen zu Dialog und gegenseitigem Respekt beteuerte, um die Spaltungen zu überwinden, ist immerhin und hoffentlich der Anfang eines neuen Stils. Was zählt, sind allerdings Taten und Ergebnisse, nicht Rhetorik.