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Fahren auf Sicht

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Die pandemische Lebensmaxime - "man sollte stets auf das Beste hoffen, doch auf das Schlimmste vorbereitet sein" - zehrt langsam an den Nerven.


Die Omikron-Welle wird bereits in der ersten Jänner-Woche über Österreich schwappen - das CoV-Prognose-Konsortium zeichnet ein düsteres Bild: Aufgrund der Tatsache, dass sich die Omikron-Variante des Coronavirus doppelt bis dreimal so schnell ausbreitet wie die zuletzt vorherrschende Delta-Variante, ist zu befürchten, dass es bis zu 15.000 Neuinfektionen pro Tag geben könnte.

Eine weitere schlechte Nachricht: Bei Omikron ist 2G im Grunde Null-G, denn das Reinfektionsrisiko bei Genesenen ist bei dieser Virusvariante durchaus hoch, und auch Geimpfte, die noch keine Auffrischungsimpfung (vulgo Booster) erhalten haben, sind nach ersten Erkenntnissen einem nicht zu vernachlässigenden Infektionsrisiko ausgesetzt. Mit der Omikron-Variante ist die Pandemie in eine neue Phase getreten.

Im schlimmsten Fall drohen sogar der Zusammenbruch des Gesundheitssystems und massive Auswirkungen auf Transportlogistik und Infrastruktur, wenn zigtausende Menschen gleichzeitig an Covid-19 erkranken. Um zumindest das Funktionieren der kritischen Infrastruktur sicherzustellen, werden von den Energieversorgern, dem Lebensmittelhandel und den Einsatzorganisationen die für den Ernstfall vorgesehenen Krisenpläne in Kraft gesetzt. Möglicherweise muss man im Ernstfall auch Absonderungen von Infizierten und Quarantäneregeln außer Kraft setzen, damit jene, die nur leicht erkrankt sind, weiterhin als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

Freilich: Vielleicht wird alles halb so schlimm. Vielleicht ist die Omikron-Variante weniger gefährlich und führt zu weniger Hospitalisierungen, wie es erste Daten aus Südafrika - wo die Omikron-Variante zuerst entdeckt wurde - nahelegen. Zudem besteht die Hoffnung, dass die Impfquote von 71,1 Prozent (38 Prozent haben sich zudem bereits die Auffrischungsimpfung geholt) dabei hilft, dass Omikron nicht völlig außer Kontrolle gerät und schwere Verläufe bei Geimpften kaum auftreten werden. Auch für dieses Szenario gibt es erste Daten.

Aber wenn die Pandemie uns etwas gelehrt hat, dann das: Man sollte immer auf das Beste hoffen, doch auf das Schlimmste vorbereitet sein: "Prepare for the worst, but hope for the best." Geschenkt, diese pandemische Lebensmaxime zehrt langsam an den Nerven: ein weiteres Jahr, in dem Weihnachts- und Neujahrsfest in aller Stille und im kleinsten Kreis verbracht werden müssen, weitere lange, dunkle Wochen, in denen man möglichst wenige Freunde und Verwandte um sich scharen soll, möglichst im Homeoffice bleibt und das kulturelle und soziale Leben darniederliegt. Es ist, wie es ist: Die Pandemie erlaubt weiter nur ein Fahren auf Sicht.