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Der Frust mit den Demos

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Häufige Proteste sind oft lästig, für Geschäftsleute und viele andere. Das Recht darauf einzuschränken, ist aber ein No-Go.


Demokratie ist oft mühsam. Kein Wunder, dass dieser Umstand regelmäßig Debatten über ihre Zumutungen und Grenzen provoziert. Gerade die Polizei kann davon ein Lied singen: 2.100 Demonstrationen wurden im Jahr 2021 laut Innenministerium behördlich angemeldet, neben 600.000 Einsatzstunden fielen dabei auch 26.000 Anzeigen an, 400 Personen wurden festgenommen und 60 Polizisten verletzt (über verletzte Demonstranten gab es keine Auskunft).

Ebenfalls am Montag versammelte sich auf Begehr der Wiener ÖVP im Innenministerium ein Runder Tisch, um über Lösungen im Konflikt zwischen Versammlungsfreiheit und Erwerbsfreiheit zu beraten. Tatsächlich bedeutet das gestiegene Demonstrationsaufkommen an neuralgischen Orten - in Wien sind das die City und der Ring - eine Beeinträchtigung für Geschäftsleute. Auch für Anrainer und Verkehrsteilnehmer ist Ärger oft programmiert.

So gesehen ist jeder anfällig für Versuchungen, das Recht auf Versammlungsfreiheit zu beschränken, sei es wegen des Anliegens, der Veranstalter, des Lärms, befürchteter Ausschreitungen, Staus oder Einnahmenverlusten. Legendär ist in diesem Zusammenhang die Forderung der FPÖ, Demos auf die Donauinsel zu verbannen, aber eigentlich steckt hier in jeder Partei ein Stück FPÖ.

Keinen Zweifel kann es bei zwei Punkten geben: Erstens hat sich jede Demonstration an die gesetzlichen Vorgaben zu halten; und zweitens ziehen die Höchstgerichte enge Grenzen, wenn es um eine Beschneidung der Versammlungsfreiheit geht. Nur weil sie lästig ist oder Nachteile Dritter damit verbunden sind, kann keine Demonstration untersagt oder zwangsverlegt werden. Das sagt sich leicht, wenn man nicht persönlich betroffen ist.

Wie immer in einer freien Gesellschaft gibt es keine einfachen oder vorgefertigten Lösungen. Die Versammlungsfreiheit ist unantastbar. Wie sie im Alltag und in aufgeheizter Stimmung ausgelebt wird, mit oder ohne Rücksicht auf andere Anliegen, ist eine Frage des erlernten Umgangs mit widerstreitenden Interessen (chronisch gesetzesbrechende und/oder gewalttätige Proteste sind Sache der Polizei).

Um diese politische Kultur ist es derzeit nicht gut bestellt. Österreichs Weg in die Konfliktdemokratie schreitet fort. Das ist per se nichts Schlechtes: Eine offene Konfliktaustragung ist eine Tugend, nur nicht ohne negative Begleiterscheinungen, etwa mehr und größere Proteste, zu haben. Dagegen helfen weniger Runde Tische im Innenministerium als vielmehr ein anderer Umgang mit Kritik und Kritikern.