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Die übersehene Justiz-Schwachstelle

Von Daniel Bischof

Daniel Bischof ist Innenpolitik-Redakteur bei der "Wiener Zeitung".

Die richterliche Kontrolle bei Ermittlungen muss gestärkt werden.


Mit Evaluierungen hat die grüne Justizministerin Alma Zadic ihre Freude. Eine Arbeitsgruppe und einen Expertenbeirat zur Bundesstaatsanwaltschaft gibt es bereits, eine Evaluierung zu Großverfahren läuft. Konkretes wurde nicht vorgelegt, dafür lässt Zadic nun auch noch ein Reformprogramm "Justiz 2030" erarbeiten.

Das klingt schon sehr nach: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründe ich einen Arbeitskreis. Weiters überdeckt die Arbeitsgruppenwut eine Schwachstelle, die Zadic bisher außer Acht lässt: die Haft- und Rechtsschutzrichter. Sie sollten im Ermittlungsverfahren die erste Kontrollinstanz der Staatsanwälte sein. Das ist nun umso wichtiger, als die Dienst- und Fachaufsicht im Ressort und in der Oberstaatsanwaltschaft Wien durch die Affären rund um die suspendierten Beamten Christian Pilnacek und Johann Fuchs ramponiert ist.

So entscheiden die HR-Richter über die Anträge auf Verhängung der U-Haft oder die Durchführung einer Razzia. In der Praxis ist die richterliche Bewilligung, auf die die Staatsanwaltschaften so stolz verweisen, kaum eine Hürde. 2020 wurden 5.122 Anträge auf Hausdurchsuchungen bewilligt und 44 Anträge abgelehnt.

Die Bewilligungen müssen durch den HR-Richter nicht schriftlich begründet werden, es reicht ein Beschluss per Stempel. Ohne diesen würde es praktisch auch gar nicht gehen: Der Arbeitsanfall ist groß, die Fristen sind kurz. Täglich kommen neue Anträge herein. Der Job ist unpopulär, meist wird er von Einsteigern gemacht, die sich schnell wieder umbewerben.

Nun kann entgegnet werden, dass die Staatsanwälte sauber arbeiten. Aber auch sie machen Fehler. Es braucht ein Korrektiv. Die von der WKStA angeordnete BVT-Razzia wäre wohl nicht bewilligt worden, hätte es eine ernsthafte richterliche Kontrolle gegeben. Schön und gut, dass sich Beschuldigte beim Oberlandesgericht, das mit erfahrenen Richtern besetzt ist, beschweren können. Sind die Beweise gesammelt und ist der Verdacht medial verbreitet worden, ist es für den Verdächtigen aber nur ein kleiner Trost, wenn eine Razzia im Nachhinein für unverhältnismäßig erkannt wird.

Wenn es, wie sich das die WKStA offenbar wünscht, nur noch eine richterliche Kontrolle geben soll, müssen der HR-Richter und der Rechtsschutz reformiert werden. Wie also macht man die Stelle attraktiver? Wie wird aus der Massenabfertigung per Stempel eine echte Kontrollinstanz? Könnte eine Begründungspflicht eingeführt werden - bei gleichzeitiger personeller Aufstockung? Zadic sollte vielleicht dazu eine Evaluierung starten.