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Die Wucht interner Kritik

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Missstände ändern sich noch zu oft erst dann, wenn der Ruf nach Erneuerung von innen kommt.


Nicht alle, aber viele Mittel helfen, Korruption, Amtsmissbrauch, Postenschacher und unzulässige Parteienfinanzierung zu verhindern oder jedenfalls klein zu halten: wirksame Gesetze, durchsetzungsstarke Aufpasser, eine breit akzeptierte Kultur des "Das tut man nicht", vor allem aber auch der Mut Einzelner mit Einblick, Missstände in ihren Bereichen offen anzusprechen oder aufzudecken.

Gesetze und Strukturen kann man immer verbessern und an neue beziehungsweise neu erkannte Problemstellungen anpassen, aber das Gros der Berichte über Missstände, mit denen die Kanzlerpartei in ein schiefes Licht geraten ist, legt den Verdacht nahe, dass es die kulturell-gesellschaftliche Dimension des Problems ist, die besonders im Argen liegt.

Allerdings gibt es Anzeichen für Veränderung. Die größte Wucht gegen die ÖVP-interne Geldverteilung via Wirtschaftsbund in Vorarlberg entfaltete, nachdem die "üblichen Verdächtigen", also kritische Journalisten (Radio Ö1, "Standard") und Opposition den Anstoß gegeben hatten, die schonungslose (Selbst-)Kritik aus dem Inneren des Systems. Erst dann wurde die Forderung nach einem Neubeginn nicht nur gehört, sondern es folgten ihr auch Taten.

Es ist das eine, wenn die Kritik von ohnehin als misstrauisch beäugten (Medien) bis feindlich (Opposition) wahrgenommenen Außenstehenden kommt, aber etwas ganz anderes, wenn der Protest aus den eigenen Reihen tönt, noch dazu von solchen, die die Idee - Unterstützung für die ÖVP - wie auch das Mittel - den Wirtschaftsbund als Interessenvertretung für Unternehmen - grundsätzlich befürworten.

Ein solcher interner Widerspruch lässt sich nicht mit dem Hinweis auf den "Klassenfeind" oder sonstige dunkle Kräfte wegwischen, wie es so oft der Fall ist. Dass es möglicherweise die Konkurrenz ebenfalls so ähnlich handhabt, ist dann keine Rechtfertigung mehr, wenn dadurch die Regeln des "Das tut man nicht" verletzt werden. Jede Organisation, die durch ihr Verhalten und Vorgehen die eigenen Mitglieder gegen sich aufbringt, ist gut beraten, ihr Verhalten zu ändern. Das ist bei Kirchen und Schützenvereinen nicht anders als bei Parteien oder Verbänden.

Es ist diese Kritik aus den eigenen Reihen, die auch nicht einfach als "Feindpropaganda" denunziert werden kann, die in Österreich noch immer die rare Ausnahme ist. Vielleicht auch, weil es in der Vergangenheit zu oft gelungen ist, diese Kritiker anschließend als Quertreiber, Sonderlinge oder sonst wie sozial unverträgliche Zeitgenossen hinzustellen. Auch hier hat Österreich ein Problem, nicht nur die Politik oder eine Partei.