Zum Hauptinhalt springen

Explosive Kombination

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Politik dreht trotz grassierender Vertrauenskrise dank Pandemie, Klimawandel und Krieg an immer größeren Rädern.


Die Nachrichten, dass die Politik schon wieder Fantastilliarden in die Hand nimmt oder das Alltagsleben der Menschen aus dem gewohnten Trott zu bringt, prasseln in immer kürzeren Abständen auf uns alle ein. Zu diesem Zweck werden, in den Staaten wie auf EU-Ebene, neue Strukturen und Mechanismen geschaffen.

Sei es, um Rettungspakete für pleitebedrohte EU-Mitglieder umzusetzen, sei es, um ein neues Virus zu bekämpfen und gleichzeitig die Folgen deses Kampfes aufzufangen. Mit dem Kampf gegen den Klimawandel hat die Politik überhaupt eine neue Ära ihres eigenen Selbstverständnisses eingeläutet, indem sie unvorstellbare Geldsummen für die Beschleunigung der Dekarbonisierung rund um den Globus mobilisiert; und jetzt auch noch der Krieg um die Ukraine und gegen Russland, der einen neuerlichen Epochenbruch bedeutet.

Anders formuliert: Es sind große, unvorstellbar große Räder, an denen die Regierenden derzeit überall drehen. Noch dazu bewegen sie sich auf unerforschtem Terrain, Erfahrungswerte sind rar, die Unsicherheit ist entsprechend groß. Ein riesiges Experiment für die Experten, die Politik, die Wirtschaft, für die ganz normalen Menschen.

Was könnte in einer solchen Situation wichtiger sein als Vertrauen - in die Entscheider wie Berater ebenso wie in die Wissenschaft, die die faktischen Grundlagen aufarbeitet? Die Antwort ist einfach: Nichts.

Doch ausgerechnet in diesem Moment, wo aufgrund der neuen Dimensionen politischen Handelns das Vertrauen in die Politik am größten sein sollte, schwappt eine Vertrauenskrise über Staaten und Institutionen. Laut einer aktuellen Studie der Donauuniversität Krems und der Universität Graz glauben in Österreich 50 Prozent der Bevölkerung nicht, dass Wissenschaft hierzulande unabhängig von politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme stattfindet. Dass darüber hinaus 40 Prozent der Befragten nicht auf evidenzbasierte Entscheidungen der Politik vertrauen, bezieht sich im konkreten Fall zwar nur auf die Zeit der Pandemie, gilt aber wohl, jedenfalls Daumen mal Pi, ebenso für die anderen Themenfelder.

Entscheidungen von enormer Tragweite fallen in eine Zeit des massiven Vertrauensverlustes: Das ist, um es gelinde zu formulieren, eine heikle, eine explosive Kombination. Nachdem nicht anzunehmen ist, dass sich die Politik wieder mit dem Backen kleiner Brötchen zufriedengeben wird (die vielleicht auch nicht mehr möglich sind), bleibt ihr nur die Rückeroberung des Vertrauens. Schnell wird das nicht gehen, vor allem müssen die Experimente allesamt positiv ausgehen.