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Die Natur braucht keinen Schutz

Von Judith Belfkih

Leitartikel

Natur organisiert sich neu. Sie gab und gibt es auch ohne Säugetiere.


Die Folgen der maßlosen Nutzbarmachung der Erde fallen zunehmend auf den Menschen zurück. Der unverminderte Ausstoß von Schadstoffen, der ungebremste Raubbau an Rohstoffen, das Vordringen in die entlegensten Ökosysteme - all das hat Konsequenzen. Nicht nur für die Natur, sondern für die ganz alltäglichen Lebensumstände vieler Menschen. Dass diese Auswirkungen eher mehr als weniger werden, darin sind sich Forschung und Politik weltweit erstaunlich einig. Auch darin, dass genau jetzt Zeit ist, zu handeln. Die konkreten Lösungen, die Nationalstaaten und auch die internationale Gemeinschaft nun auf den Weg bringen, sind angesichts dessen erstaunlich zahnlos. Sie zeugen mitunter von Zögerlichkeit, ja Hilflosigkeit.

Zuletzt haben die G7-Umwelt- und Energieminister getagt und (erneut) Erklärungen zum Kohleausstieg und zum Umstieg auf erneuerbare Energie gefeiert. Und sie haben noch für dieses Jahr eine Weltnaturschutzkonferenz in Aussicht gestellt. Natürlich sind das Schritte in die richtige Richtung, doch ist es ein Schleichen, wo Sprinten angebracht wäre.

Die Themen Naturschutz, Klimawandel und Energiewende sind längst einem friedlichen Umweltschutz entwachsen, wo es um den Erhalt hübsch anzusehender Naturlandschaften oder schillernder Schmetterlinge geht. Was auf dem Spiel steht, ist ein langfristig stabiler Lebensraum für die Menschheit. Die Natur braucht keinen Schutz, sie reagiert und organisiert sich neu. Sie gibt es auch ohne Säugetiere. Wenn hier also jemand Schutz braucht, ist es einzig der Mensch - vor sich selbst.

Ein intaktes Ökosystem mit der und für die Gattung Menschen zu sichern, dafür sind prominente Konferenzen und schön formulierte Klimaziele zu wenig. Es braucht verbindliche Regelungen, die bei Nichteinhaltung auch mit harten Konsequenzen eingeklagt werden können. Dabei wird es etwa auch darum gehen, Flüsse oder Seen als juristische Personen anzuerkennen und Mittel bereitzustellen, damit ihre Verschmutzer geklagt werden können. Oder darum, die ökologischen und sozialen Kosten der Warenerzeugung weg aus den Produktions- und zurück in die Konsumstaaten zu holen.

Das Fluchttier Mensch ist schlecht darin, die Folgen seines Handelns in der Ferne abzuschätzen und dadurch künftige Gefahren zu bannen. Es braucht das Feuer am eigenen Dach. Die Natur denkt nicht in moralischen Kategorien, sie verhandelt nicht, sie reagiert. Tut der Mensch das nicht, wird sich das Artensterben in schlichter Logik langsam die Nahrungskette nach oben arbeiten - bis an deren Spitze. Einzig diese Tatsache sollte zeitgemäße Klimapolitik antreiben.