Zum Hauptinhalt springen

Resilienz statt Profit

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Beim Segeln in unruhiger See hilft ein stabiles Boot.


Unübersichtlich, unvorhersehbar und unruhig - so lässt sich die Gegenwart beschreiben. Aber was tun?

Wenn wir schon die Wellen volatiler Veränderungen im Meer der Ereignisse nicht beherrschen können, "dann können wir zumindest lernen, stabilere Boote zu bauen", schreiben Andrew Zolli und Ann Marie Healy in ihrem Buch "Resilience - Why Things Bounce Back". Resilienz - Widerstandsfähigkeit - hat viele Ebenen: In der Wirtschaft bedeutet Resilienz, nicht auf nur einen Lieferanten zu setzen, Lagerkapazitäten als Schutz vor Lieferunterbrechungen zu errichten, anstatt blauäugig auf eine Just-in-time-Logistikkette zu vertrauen, und parallele Systeme aufzubauen.

Ein Beispiel: Fichtenmonokulturen, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten in manchen Teilen der Forstwirtschaft aufgrund ihrer hohen Profitabilität bestimmend waren, haben sich angesichts von Trockenheit, Klimawandel und der Borkenkäfer-
epidemie als Holzweg erwiesen. Die Lösung: Mischwälder. Denn mit ihren unterschiedlichen Überlebensstrategien, ihren unterschiedlichen Wurzelarchitekturen und unterschiedlicher Spezialisierung auf bestimmte Lebensräume macht Artenvielfalt einen Wald reicher und widerstandsfähiger.

Angewandt auf die derzeitige Energiekrise bedeutet das: Die Gazprom-Monokultur im Erdgasmarkt rächt sich nun, die Versorgungssicherheit wurde auf dem Altar höherer Profite geopfert.

Auf psychologischer Ebene bedeutet Widerstandsfähigkeit, dass man sich für das Schlimmste wappnet, aber gleichzeitig das Beste hofft. "Wird schon gutgehen" ist keine Option.

Und auf politischer Ebene? Eigenschaften wie Seriosität, Sachverstand und Kompetenz und nicht bloßes PR-Talent sind gefragt. Der Kabarettist Alfred Dorfer hat sich über den PR-Politikertypus zu Recht lustig gemacht, der nach der Maxime "Nicht das Erreichte zählt, das Erzählte reicht" agiert.

Die Gesellschaft muss Komplexität reduzieren und zurück zur Schlichtheit. Ein dreibeiniger Schemel ist dafür das beste Beispiel: Dieses Sitzmöbel ist simpel und wackelt nicht. Einfacher ist oft besser; je weniger Schrauben, Nägel oder Bohrungen, desto weniger potenzielle Bruchstellen. Anstatt - wie bisher so häufig - am Limit zu operieren, sollten in Wirtschaft und Gesellschaft wieder mehr Sicherheitspolster eingebaut werden. Damit nichts schiefgeht, wenn etwas schiefgeht. Und es bedarf einer gesunden Portion Zweckpessimismus, die dafür sorgt, dass man auf alle Eventualitäten vorbereitet ist. Beim deutschen Autobauer BMW lautete die Unternehmensmaxime in den 1990er Jahren: "Nicht das Erzählte reicht, nur das Erreichte zählt!" Sie ist derzeit höchst aktuell.