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Hitzekollaps

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Badewetter, Bikini, Badesee war einmal. Die Hitzewelle ist zur gefährlichen Bedrohung mutiert.


War früher wirklich alles besser? Früher, als Hitzewellen noch mit Badewetter, Bikini und Baggersee assoziiert wurden? Früher, genauer 1975, als Rudi Carrell trällerte: "Wann wird’s mal wieder richtig Sommer, ein Sommer, wie er früher einmal war?" Früher, da war die Hitzewelle der heiß ersehnte Höhepunkt des Sommers, heute bedeutet Hitze Trockenheit, Dürre und Temperaturen jenseits der Grenze des Erträglichen - vor allem in der Großstadt.

Wenn man selbst im Saudi-Arabien des Wassers - also in Österreich - Sorge um die Wasserversorgung haben muss, im burgenländischen Seewinkel Fische aus einem See evakuiert werden, weil dieser auszutrocknen droht, Segelboote auf dem Neusiedler See im Schlamm liegen, weil der Wasserspiegel rekordverdächtig niedrig ist, dann weiß man, dass die Probleme beachtlich sein müssen.

Freilich: Vom Wetter auf Klimaveränderungen schließen zu wollen, greift zu kurz, und die Wasserknappheit in Teilen Ostösterreichs hat ihre Ursache nicht nur im Klimawandel, sondern auch in einer Übernutzung des Grundwassers und verfehltem Wassermanagement. Aber: Die Klimaforscher haben bereits vor vielen Jahren darauf hingewiesen, dass der Klimawandel - oder wohl treffender: die drohende Klimakatastrophe - das Wettergeschehen bereits heute zum Teil erheblich verändert. So sind die immer längeren, immer heftigeren Hitzeperioden in Europa eine Folge des veränderten Jetstreams. Dieses Starkwindband prägt das Wetter in Nordamerika und Europa, die starke Erwärmung in den nördlichen Breiten führt dazu, dass der Jetstream nun hartnäckig heiße Sahara-Luft nach Europa führt. Klimaforscher warnen seit vielen Jahren: Wetter- und damit Temperaturextreme nehmen durch den Klimawandel zu, die Niederschlagsmuster verändern sich - zum Teil dramatisch.

Die Lage scheint verzweifelt, der Klimawandel schreitet teils schneller und dramatischer fort, als von den Forschern prognostiziert. Aber Panikmache hilft nicht weiter, denn im schlimmsten Fall kapitulieren die Menschen nur vor der unlösbar scheinenden Aufgabe. Aber Kapitulation ist keine Option, die Energiewende muss gelingen - und zwar global. Die gute Nachricht: Die dafür notwendigen Technologien sind bereits vorhanden oder in Reichweite, das Meinungsklima verändert sich - gerade in Europa. Denn seit Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine wirkt jedes Windrad, das sich am Horizont dreht, wie eine Freiheitsstatue.

Man muss heute anpacken, das Morgen zu meistern.