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Wir haben es in der Hand

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Am Notfallplan für Gas wird sich ablesen lassen, wie es um den Zusammenhalt der EU steht.


Dass nun ausgerechnet Deutschland - und an seiner Seite Österreich - sich gezwungen sieht, an die europäische Solidarität vor allem der südlichen EU-Staaten zu appellieren, zeige, so witzelte kürzlich ein deutscher EU-Mandatar in vertrauter Runde, die Dramatik der aktuellen Situation. Er meinte es dennoch todernst. Zuletzt war es verlässlich der Süden Europas, der um Hilfe bat - und diese oft nur unter schmerzhaften Auflagen von der Regierung in Berlin gewährt bekam.

Der Appell zur Solidarität liegt der ersten Stufe des Gasnotfallplans zugrunde, den die EU-Kommission am Mittwoch präsentiert hat. Ab August bis Ende März sind die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, ihren Gasverbrauch um 15 Prozent zu reduzieren. Vorerst freiwillig; sollte sich jedoch herausstellen, dass das Ziel verfehlt wird und eine Versorgungsnotlage droht, soll eine noch zu beschließende Notfallverordnung greifen, mit der die Staaten zum Gassparen gezwungen werden können.

Dieser laute - und bei Nichtbeachtung mit Sanktionen unterlegte - Appell zum Gas- und Energiesparen kommt spät, sehr spät sogar. Einmal mehr muss die EU-Kommission erledigen, was eigentlich längst von den Staaten und Regionen hätte getan werden müssen. Brüssel darf nicht zum Mikromanager dieser oder jeder anderen Krise verzwergen, sondern muss sich auf die Ziel- und Rahmensetzung konzentrieren; dazu zählen auch die Kontrolle und Evaluation der Maßnahmen. Brüsseler Temperaturregeln fürs Wohnen und Duschen sind der Traum all jener Lautsprecher, deren politische Fantasie nicht über simples EU-Bashing hinausreicht.

Das Ziel, quasi ab sofort 15 Prozent weniger Gas zu verbrauchen, ist ambitioniert, aber machbar. Nötig dazu sind die passenden Hebel und ein allgemeines Bewusstsein - nicht nur für den Ernst der aktuellen Situation, sondern vor allem für die Folgen im Winter bei einem Scheitern. Das deutlich zu machen, hat nicht nur, aber eben auch die österreichische Bundesregierung sträflich verabsäumt.

Doch noch einmal zurück zur europäischen Solidarität. Die Rolle des Bittstellers ist vor allem für Deutschland ein neues Gefühl (Österreichs Bilanz ist da weitaus ambivalenter, wenn man Themen wie Transit oder Studienzugang mitberücksichtigt). Jetzt sind es die von russischem Gas weitgehend autonomen Staaten in Süd- und Westeuropa, die sich fragen, warum sie zugunsten sehr viel reicherer Staaten schmerzhaften Verzicht üben sollen. Das kann, im besten Fall, am Ende zu einer stärkeren Union führen, im schlechtesten Fall zum neuerlichen Riss. Immerhin liegt es einmal mehr allein an uns, wie die Sache ausgeht.