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Zumindest auf Augenhöhe

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Erst Putins Krieg, jetzt Taiwan: Es ist, als hätte sich der Weltenlauf gegen die EU verschworen.


Es ist, als hätte sich der Weltenlauf gegen die EU verschworen, zumindest gegen deren sehnlichsten Wunsch nach "europäischer Souveränität".

Das Konzept - oder besser gesagt: die Vision - strategischer Souveränität beruht auf der richtigen Annahme, dass Europa mittel- und langfristig nur dann erfolgreich sein könne, wenn es sich aus seinen Abhängigkeiten emanzipiere und seinen Kurs bestimme. Davon, auch das ist eine korrekte Analyse, kann für die Summe der EU-27 keine Rede sein - technologisch, sicherheitspolitisch sowie bei Energie und Rohstoffen. Und sämtliche Krisen der vergangenen Jahre haben diese Abhängigkeiten schmerzhaft offengelegt.

Tatsächlich drehen die Europäer an einem großen Rad, um via Green Deal und Recovery Fund die EU Schritt für Schritt von den Fesseln Dritter zu befreien, sei es von Russland, China und auch den USA. Klar ist: Wer sich in einer Ära der wachsenden Konkurrenz auf andere verlassen muss, wird dafür früher oder später einen hohen Preis zahlen.

Zwar führt die russische Invasion in der Ukraine nun zu einer massiven Aufrüstung quer durch Europa, sogar Österreich hat sich zu einer substanziellen Budgeterhöhung für das Bundesheer durchgerungen (allerdings knirscht es bei der Umsetzung). Doch der größte Nutznießer dieser Entwicklung ist nicht die EU, sondern die Nato, wo die USA den Ton angeben. Bestes Beispiel: die Beitritte Schwedens und Finnlands. Entsprechend lobte soeben auch Deutschlands grüne Außenministerin Annalena Baerbock die Beziehungen zu den USA als so eng wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Konträr zu den eigentlichen Absichten der EU zeichnet sich auch im Umgang mit China ein Zusammenrücken des Westens ab. Dabei war es das Ziel, Europa aus der sich zuspitzenden Konfrontation zwischen den USA und China möglichst herauszuhalten und zumindest in Wirtschaftsfragen einen autonomen Kurs zu fahren. Indem sich nun der Wettstreit der Systeme auf die Zukunft des demokratischen Taiwans fixiert, bleibt der EU kaum eine Alternative, als sich hinter den taktgebenden USA zu versammeln.

Viel spricht dafür, dass die USA und Europa ohnehin nur gemeinsam eine Chance haben, ihre Vorstellungen von einem gelingenden Zusammenleben hochzuhalten und gegen Angriffe, mögen sie seitens Russlands oder Chinas erfolgen, zu verteidigen. Aber selbst dann wäre eine Beziehung auf Augenhöhe mit den USA der derzeitigen Konstellation vorzuziehen. Die Idee strategischer Souveränität bleibt also das erstrebenswerte Ziel, und sei es nur, um innerhalb des Westens über den Kurs mitbestimmen zu können.