Zum Hauptinhalt springen

Kein Wunschdenken mehr

Von Klaus Huhold

Leitartikel

Trump-Sieg und Taiwan-Krieg: Europa sollte sich darauf einstellen.


Nun hat Donald Trump also auch Liz Cheney erlegt. Die erzkonservative Republikanerin hat im erzkonservativen Wyoming die Vorwahl um ein Mandat im Kongress verloren - weil sie den von Trump angezettelten Sturm auf das Kapitol aufgearbeitet sehen will. Dementsprechend mobilisierte Trump gegen die "Närrin", wie er sie nennt.

Wyoming ist schon lange Trump-Land. Manch liberale Kommentatoren spekulieren daher trotzdem darauf, dass die jüngste Razzia des FBI in Trumps Anwesen einen Wendepunkt darstellen könnte. Dass es moderaten Republikanern zu viel werden könnte, wenn ein Ex-Präsident vielleicht Geheimdokumente bei sich gehortet hat und erneut die Justiz wüst attackiert.

Es gibt jedoch keine Anzeichen, dass die Unterstützung in der Wählerschaft oder auch in der Republikanischen Partei für Trump irgendwie bröckeln würde, außer man redet es sich herbei.

Doch genau derartiges Wunschdenken hat in der Vergangenheit oft dazu geführt, dass Politik und Beobachter auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Auch und gerade in Europa - und das mit fatalen Konsequenzen.

Beispiel Russland: Als Wladimir Putin bereits sein Heer an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren ließ, zeigten sich der Großteil der westlichen Politiker und viele Experten und Journalisten noch überzeugt, er werde die Ukraine nicht angreifen. Denn der russische Präsident würde doch der eigenen Wirtschaft nicht derart schaden. Dabei wurde übersehen, dass der Kreml-Herrscher nicht wie ein Wirtschaftskämmerer, sondern wie ein Imperialist denkt - was er in seinen Reden und Schriften auch nicht verheimlicht hat.

Ähnliche Beschwichtigungen finden sich nun in der Taiwan-Frage: China werde die Insel nicht angreifen, weil die globale Chipindustrie von Taiwan abhänge und sich Peking damit selbst schaden würde, ist ein gern vorgebrachtes Argument. Oder dass das militärische Abschreckungspotenzial der USA zu groß sei. Diese Argumente haben etwas für sich. Doch wenn man die Aussagen von KP-Chef Xi Jinping und anderer Parteikader ernst nimmt, muss man damit rechnen, dass China zur Tat schreiten wird - sei es militärisch oder mittels umfassender See- und Luftblockade. Die Frage ist dann nur, wann.

Niemand hat eine Glaskugel, durch die er die Zukunft erblicken kann. Aber es ist wahrscheinlich, dass der Taiwan-Konflikt eskalieren wird. Und es ist gut möglich, dass der nächste US-Präsident wieder Trump heißt und eine nochmals radikalisierte Republikanische Partei ein äußerst unberechenbarer, schwieriger Partner für Europa wird. Hoffentlich beschäftigen sich europäische Politiker - und auch Manager großer Konzerne - schon jetzt mit solchen Szenarien.