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Einer, der zusammenhält

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Der Bundespräsident ist, egal was die Kandidaten jetzt behaupten, nicht das Gegengewicht zur Regierung.


Es war unvermeidlich, dass die seit Jahrzehnten in jedem Bundespräsidentenwahlkampf präsentierte Vorstellung vom Amt des Staatsoberhaupts als Oberaufseher für, ja sogar Gegengewicht zur Bundesregierung irgendwann mit der Wirklichkeit, und zwar der verfassungsrechtlichen wie realpolitischen, verwechselt wird. An diesem Punkt ist die öffentliche Debatte jetzt, knapp sechs Wochen vor der Wahl eines neuen Bundespräsidenten, angekommen.

Abgesehen von Dominik Wlazny alias Marco Pogo, der zwar als bisher Einziger die Hürde von 6.000 Unterstützungserklärungen geschafft hat, von dem aber noch so gut wie keine politische Aussage bekannt ist, fantasieren sich alle Herausforderer von Amtsinhaber Alexander Van der Bellen als Gegenmacht zum Parlament und der von dessen Mehrheit gestützten Regierung.

Richtig ist, dass das Amt über gravierende Notfallrechte verfügt, zu denen neben der Entlassung der Regierung auch die Auflösung des Nationalrats zählt, Letzteres allerdings auf Vorschlag der Regierung. Und selbst im Fall einer Entlassung der Exekutive ist das Staatsoberhaupt an die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat gebunden. Nicht nur, aber vor allem auch im Krisenfall ist die Republik auf das Zusammenwirken der obersten Institutionen angewiesen.

Richtig ist, dass die Regierung das Vertrauen des Bundespräsidenten benötigt, das ergibt sich schon aus dem Prozess der Ernennung des Kanzlers und der Angelobung der Minister. Doch daraus ergibt sich kein inhaltliches Mitspracherecht bei der Gesetzgebung. Seine Aufgabe ist es, durch Unterschrift deren verfassungsgemäßes Zustandekommen vor dem Inkrafttreten zu bestätigen.

Die Imagination des Bundespräsidenten als Gegengewicht zur Regierung ist ein von mancher Seite absichtsvoll betriebenes Missverständnis, für das es im Bundes-Verfassungsgesetz keine Grundlage gibt. Als Argument dient oft und gerne der Hinweis, dass ja das Staatsoberhaupt direkt von den Bürgerinnen und Bürger gewählt wird und deshalb über eine besondere demokratische Aura verfügt. Das ist richtig, und diese Legitimation ist auch notwendig, um in Krisen - in echten, nicht in herbeifantasierten - allenfalls von seinen äußersten Kompetenzen Gebrauch machen zu können.

Davon abgesehen liegt das Geheimnis des Amtes für den Amtserfolg darin, eine zusehends polarisierte Republik zusammenzuhalten. Das geschieht durch kluge Zurückhaltung im notwendigen Parteienstreit. Wer das nicht verstehen will oder kann, sollte möglichst weit weg von der Hofburg gehalten werden.