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Das ungleiche Paar

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Wladimir Putin tritt Xi Jinping als Bittsteller entgegen.


Welch ungleiches Treffen: Xi Jinping, 69 Jahre alt, ist der wohl mächtigste starke Mann Chinas seit Mao Zedong. Xi wird auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, der am 16. Oktober beginnt, eine dritte Amtszeit zugestanden bekommen. Dieses Privileg hatte weder sein Vorgänger Hu Jintao noch Jiang Zemin.

Wladimir Putin, ebenfalls 69 Jahre alt, ist seit dem Jahr 2000 Präsident der Russischen Föderation - und er ist isoliert wie selten zuvor. Während China zur Weltmacht aufgestiegen ist, ist Russland zu einer - wenn auch nuklear bewaffneten - Regionalmacht herabgesunken. Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich als katastrophale strategische Fehleinschätzung erwiesen.

Beide Männer haben die Geschlossenheit des Westens und den Widerstandsgeist der Ukraine grob unterschätzt. Und beide Mächte scheinen an einer historischen Amnesie zu leiden: Chinas Aufstieg begann, nachdem Deng Xiaoping das Land auf einen marktwirtschaftlichen Kurs gelenkt hatte. Westliche Konzerne und Anleger investierten seit den 1990er Jahren hunderte Milliarden Dollar im Reich der Mitte. Westliche Technologien halfen dabei, die Konkurrenzfähigkeit der chinesischen Industrie zu verbessern. Der Zugang zu westlichen Märkten war ausschlaggebend dafür, dass China (hinter der EU) die zweitbedeutendste Exportmacht der Welt werden konnte. Und auch den Anstieg der Wirtschaftsleistung Russlands ab den 2000er Jahren verdankt das Land zu einem guten Teil den Auslandsinvestitionen und der Hinwendung der Wirtschaft zur EU.

Putins Politik, Russland an China zu ketten, macht aus geostrategischer und wirtschaftlicher Sicht daher keinen Sinn. Der Kreml bräuchte eigentlich ein Gegengewicht zur Volksrepublik, denn mit dem übermächtigen Partner steht Russland in Zentralasien in einem harten Ringen um Macht und Einfluss.

Beide Seiten würden heute auch gerne vergessen machen, dass es im Jahr 1969 einen Grenzkrieg zwischen der Sowjetunion und China gab. Dazu kommt, dass der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung Russlands im Westen des Landes lebt und die russische Kultur viel enger mit der westlichen als mit der chinesischen verknüpft ist. Beide Länder - Russland und China - prosperierten in der Phase der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Westen.

Doch nun schlittert die Welt durch Putins gefährliches Abenteurertum in einen neuen Blockkonflikt. Es bleibt nun zu hoffen, dass zumindest der Begriff der "friedlichen Koexistenz", der ab 1955 durch den sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow Eingang in die Rhetorik der UdSSR fand, wiederbelebt werden kann.