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Putin erhöht den Einsatz

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Der Krieg kommt jetzt auch nach Russland. Der Westen sollte bei seinem Kurs bleiben.


Den Krieg und seine unmittelbaren Folgen, also töten, bluten und getötet werden, von seinen Bürgerinnen und Bürgern so weit wie möglich fernzuhalten: Das war von Beginn der russischen Invasion in der Ukraine an ein wichtiges Anliegen von Präsident Wladimir Putin. Deshalb auch die ganze Farce um die Benennung als "Spezialoperation". Die Menschen in Russland sollten so wenig wie möglich von der grausamen Realität des Krieges in ihrem Alltag spüren.

Das wird sich mit der Teilmobilmachung nun Schritt für Schritt ändern. Putin nimmt sein Volk in die Pflicht, selbst wenn dieses gar nicht für seinen Krieg geradestehen will. Mittlerweile ist in Vergessenheit geraten, wie eng die oft familiären Bande zwischen Russen und Ukrainern vor dem 24. Februar waren; dementsprechend unpopulär dürfte der Krieg gegen das Brudervolk in weiten Teilen der Bevölkerung sein. Verlässliche Informationen dazu sind jedoch rar, Putin hat seinem Land erneut eine strikte Zensur verordnet, die kaum Platz für Opposition lässt.

Trotzdem muss die Führung wachsende Proteste fürchten, wenn deutlich wird, wie hoch der russische Blutzoll in der Ukraine ausfällt. Russland kennt nicht nur eine lange Tradition der Autokratie, sondern auch eine ebenso lange des Dissidententums gegen die Zaren, gegen die Kommunisten und gegen Putin selbst. Er nimmt das in Kauf, um dem Westen zu verdeutlichen, dass er, Wladimir Wladimirowitsch Putin, es ist, der über die Eskalationshoheit in diesem Konflikt verfüge. Und weil er befürchtet, die Gegner könnten dies als Bluff verstehen, betont er noch ausdrücklich, dass dies kein Bluff sei, was dann doch wiederum als Musterbeispiel eines Bluffs bezeichnet werden könnte.

Dieser Krieg hat bisher noch jede ursprüngliche Erwartungshaltung Lügen gestraft. So gesehen sollte man sich auch jetzt hüten, den weiteren Verlauf zu prognostizieren. Klar ist bisher nur: Putin erhöht den Einsatz, seinen ganz persönlichen ebenso wie jenen für Russlands Bürger, aber eben auch für die Ukraine und ihre Verbündeten, also die EU. Das ist mit Sicherheit ein Zeichen der Schwäche des russischen Bären, aber verwundete Raubtiere sind eben auch besonders gefährlich.

Angesichts eines Kontrahenten, der wiederholt tut, was er zuvor ausgeschlossen hat, sollte die EU samt Partnern deshalb ihrem Kurs treu bleiben: nicht nachgeben, aber auch nicht eskalieren, sondern konsequent die bisherige Linie der Sanktionen samt Waffenlieferungen mit Augenmaß weiterverfolgen. Berechenbarkeit ist gerade in einem Konflikt, bei dem so viel auf dem Spiel steht, der beste Kompass. Umso mehr, wenn die Gegenseite erratisch nach ihren Zielen strebt.