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Cui bono?

Von Walter Hämmerle

© Luiza Puiu

Die "Wiener Zeitung" steht vor einem Umbruch. Zu befürchten ist ein langsames Sterben auf Regierungsgeheiß.


Am Mittwoch, 5. Oktober 2022, hat der Eigentümervertreter in Form der türkis-grünen Bundesregierung das Ende der "Wiener Zeitung" in ihrer bestehenden Form als unbestechliche, unabhängige Qualitätstageszeitung verfügt. Die Zukunft soll in einem Online-Medium samt monatlichem Printprodukt (zehnmal pro Jahr) sowie einem Dienstleistungspaket für den Medienstandort bestehen, der unter anderem eine Ausbildungsoffensive vorsieht. Journalismus wird, anders als bisher, nicht länger die Kernidentität des Hauses sein. 

Der äußere Anlass für diesen Schritt ist der Wegfall der Gebühren für die Pflichtveröffentlichungen. Tatsächlich ist das Ende der Gebühren ein überfälliger Schritt, detto die Umstellung des gedruckten Amtsblatts auf ein serviceorientiertes, vielfach verknüpfbares und ausbaufähiges digitales Schwarzes Brett der Republik im Dienst von Bürgern, Wirtschaft, Politik und Verwaltung.

Das Aus der Pflichtgebühren wird nun als Hebel für das Aus der Tageszeitung herangezogen. Dazu ist zu sagen, dass die Erscheinungsweise eines Mediums kein Wunschkonzert der Redaktion sein kann, sondern zwingend eine vom journalistischen Esprit geleitete verlegerische Entscheidung ist. Guter Journalismus ist keine Frage des Formats oder der Frequenz, von Print oder Online, sondern eine Frage der inneren Einstellung und der äußeren Möglichkeiten einer Redaktion.

Indem die Bundesregierung jedoch keine verlegerische Entscheidung getroffen hat, sondern ihren politischen Willen dekretiert, ist die Gefahr groß, dass die "Wiener Zeitung" als Medium wie als älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt einen leisen Tod sterben wird.

Österreich hat von manchem zu viel und vom meisten ausreichend. Wovon die Republik mit Sicherheit zu wenig hat, das ist Qualitätsjournalismus der Art der "Wiener Zeitung". Die Medienpolitik der vergangenen Jahrzehnte hat maßgeblich zu diesem Zustand beigetragen. (Die ebenfalls am Mittwoch präsentierte Reform der Medienförderung ist ein erster, begrüßenswerter Schritt zur Umkehr.) Tatsächlich ist die digitale Revolution gerade für Medien eine existenzielle Herausforderung mit Chancen wie Risiken. Die einzig richtige Antwort darauf lautet: Mehr Journalismus statt weniger. Die Regierung hat sich für einen anderen Weg entschieden, Alternativen hätte es gegeben und gibt es nach wie vor.

Wenn alles so kommt, wie befürchtet, dann verliert die Republik Österreich ein Kulturgut von einzigartigem Wert und eine hervorragende Tageszeitung. Man fragt sich: Cui bono? Wem nützt’s?