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Graz als Avantgarde

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Es braut sich etwas zusammen. Nicht nur im kleinen Graz, sondern weit darüber hinaus.


Da braut sich etwas zusammen, und zwar im Kleinen wie im Großen.

Die Nachricht einer möglichen Zahlungsunfähigkeit von Österreichs zweitgrößter Stadt lässt sich natürlich mit Hinweis auf die hier regierenden Kernöl-Kommunisten ins Lächerliche ziehen. Dass ausgerechnet die KPÖ nun ein schon zuvor windschiefes Budget der steirischen Metropole sanieren muss, kann als Gemeinheit der Geschichte durchgehen.

Tatsächlich dürfte Graz als Avantgarde eines neuen Trends voranschreiten, nur anders als von den Kommunisten erträumt. Die Kombination aus zweistelligen Inflationsraten, horrenden Energiepreisen und stark steigenden Personalkosten sowie den einnahmenmindernden Nebeneffekten der Steuerreform wird auch zahlreiche weitere Kommunen an den Rand der Zahlungsfähigkeit bringen. Und anders als der pandemiebedingte Einbruch drohen sich die Probleme nun zu verfestigen.

Dies umso mehr, wenn dabei auch die makroökonomische Ebene mitberücksichtigt wird. Die von der Europäischen Zentralbank im Übrigen viel zu spät begonnene und nun forcierte Zinswende erhöht den Druck auf die Staaten der Eurozone, durch Reformen ihre Schuldenlast auf ein nachhaltiges Niveau zu senken. Nur mit einem höheren Wirtschaftswachstum allein wird sich das nicht bewerkstelligen lassen, zumal etliche Staaten aktuell eine Rezession fürchten müssen. Der Plan, Wachstum durch radikale Steuererleichterungen zu generieren, ohne etwas an den strukturellen Problemen zu verändern, ist gerade in Großbritannien spektakulär gegen die Wand gefahren.

Zweifellos wird die EZB versuchen, der Eurozone einen neuerlichen Stresstest wie zu Zeiten der Finanz- und Schuldenkrise zu ersparen. Im Bedarfsfall werden die Zentralbanker also wohl ausrücken, sollten einzelne Staaten in Schieflage geraten. Das größte, weil gewichtigste Sorgenkind bleibt dabei Italien, dessen neue rechtsgerichtete Regierung ihren Versprechen finanzpolitischer Verlässlichkeit erst Taten folgen lassen muss.

Es ist vor diesem Hintergrund, dass die EU-Kommission am Mittwoch eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts präsentiert. Die Auslegung der Regeln soll Flexibilität und Disziplin zugleich garantieren. Österreich, das traditionell bekannt dafür ist, entgegengesetzte Ziele durch Kompromisse zu verbinden, pocht dabei auf die Durchsetzbarkeit der Fiskalregeln, wie Finanzminister Magnus Brunner erläutert. Flexibel, selbstredend.

Die Ironie kann man getrost streichen. Simple Prinzipienreiterei wird uns nicht durch die nächsten Jahre bringen. Weil: Es braut sich etwas zusammen.