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Karners Schengen-"Njet"

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Österreichs Balkan-Politik braucht eine konsequente Linie.


Das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist zu einem Europa der unübersichtlichen Geschwindigkeiten geworden: Eigentlich sollten alle EU-Länder im Laufe der Zeit den Euro als Währung nutzen, doch acht Staaten sind nicht dabei: Finnland, Dänemark, Tschechien, Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Kroatien, wobei Kroatien ab 1. Jänner 2023 Teil der Eurozone wird.

Bei Schengen sind Kroatien, Rumänien und Bulgarien sowie Zypern und Irland nicht voll dabei, dafür die Nicht-EU-Länder Island, die Schweiz und Liechtenstein ganz. Kroatien tritt 2023 der Schengen-Zone bei, ab 1. Jänner sind die Schlagbäume zwischen Kroatien und Slowenien beziehungsweise Ungarn offen, Bulgarien und Rumänien gehen hingegen bei dieser Schengen-Erweiterungsrunde leer aus.

Österreich hat sich fast im Alleingang dagegen gesperrt, was Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Kritik - nicht nur von den beiden Schengen-Beitrittswerberländern, sondern auch von der EU-Kommission und der deutschen Bundesregierung - eingebracht hat. Kommissionsvize Margaritis Schinas sagte, es sei "ungerecht, ihnen nicht die Chance zu geben, die sie verdient haben und die ihnen zusteht". Die beiden Staaten hätten alle notwendigen Reformen umgesetzt.

Dass Karners harte Haltung gegenüber Bulgarien und Rumänien mit den am 29. Jänner 2023 stattfindenden Landtagswahlen in Niederösterreich im Zusammenhang steht, wird seitens der ÖVP heftig dementiert.

Leider ist es aber durchaus denkbar, dass Karnerns "Njet" zu Bulgarien und Rumänien dazu dienen soll, das Profil der ÖVP als Sicherheitspartei im Landtagswahlkampf zu stärken. Kroatien will Karner aber in der Schengen-Zone dabei haben, denn die Österreicherinnen und Österreicher sollen nicht mehr länger auf dem Weg nach Istrien in Koper im Stau stehen.

Dass Österreich mit dem Nein zum Schengen-Beitritt in Bulgarien und Rumänien in diesen beiden Ländern und in Brüssel guten Willen verspielt, ist unerfreulich: Denn gleichzeitig drängt Österreich seine europäischen Partner, Albanien, Bosnien, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien endlich eine vernünftige Beitrittsperspektive zu bieten.

Bei diesem österreichischen Ansinnen gibt es genug Skeptiker in der Union - un die Regierung in Wien liefert ihnen nun neue Argumente. Denn wenn Österreich nicht einmal Bulgarien und Rumänien bei Schengen dabei haben will, warum sollte man dann eine Mitgliedschaft der Westbalkanländer, die noch nicht Teil der Union sind, erwägen?

Europa braucht mehr Synchronizität bei der Weiterentwicklung der EU und Österreichs Haltung zum Balkan braucht eine konsequentere Linie.