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Verwegene Prognose für 2023

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Was zeigt der Blick in die trübe Kristallkugel des Zukunfts-Orakels?


Die Kristallkugel für das Orakel 2023 ist ziemlich trüb und Prognosen für das kommende Jahr zu wagen, ist einigermaßen verwegen. Dazu gab es einfach zu viele Überraschungen in den vergangenen Jahren: Brexit, die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten, Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, der 2014 begann und den der Kreml 2022 massiv ausweitete. Und als die russischen Panzer auf Kiew zurasselten, prognostizierten nicht wenige einen raschen Kollaps der ukrainischen Armee. Doch die Ukraine hält bis heute den russischen Truppen stand.

All diesen Vorbehalten, Klauseln und Warnungen zum Trotz seien dennoch einige Prognosen gewagt: In der Ukraine wird der Abnützungskrieg auch 2023 mit ungeminderter Härte weitergeführt. Russlands wird seinen Energiekrieg gegen die Europäische Union fortsetzen und seinen Bomben- und Raketenterror gegen die ukrainische Bevölkerung ausweiten. An der Pattsituation im Ukraine-Krieg wird dies aber wenig ändern.

Die beiden Supermächte - die USA und China - stehen auf tönernen Füßen. Sinologen haben schon vor einiger Zeit den Begriff "Peak China" geprägt: Nach dieser Leseart ist China vorerst am Höhepunkt seiner Macht angelangt. Indien wird das Reich der Mitte im April kommenden Jahres in puncto Bevölkerungszahl überflügeln und Chinas Wirtschaft aufgrund unterschiedlicher Faktoren langsamer wachsen. Die USA wiederum bleiben ein zutiefst gespaltenes, polarisiertes Land.

2023 wird ein Krisenjahr: Die Notenbanken drehen weiter an der Zinsschraube, den wichtigsten Volkswirtschaften droht eine Rezession.

Die Renaissance des Tourismus nach den mageren Covid-19-Jahren könnte Österreichs Volkswirtschaft vor dem Schlimmsten bewahren. Dennoch: Der heimischen Politik fehlt es an Vision und Esprit, die Erosion der Volksparteien setzt sich fort.

Künstliche Intelligenz wird mainstreamfähig. Schon 2022 hat der Chatbot Chat GPT mit seinen schlauen Antworten auf knifflige Fragen Furore gemacht, Dall-E hat die User-Community mit exzellenten, auf Kommando gemalten Bildern erfreut. Diese Entwicklung wird sich beschleunigen, beim dominanten Internet-Suchgiganten Google schrillen deswegen bereits die Alarmglocken: Was passiert, wenn die Userinnen und User in Zukunft künstliche Intelligenz befragen und nicht mehr googlen? Auch für Virtual Reality, Mixed Reality und 360°-Video wird 2023 ein Schlüsseljahr: Apple stellt kommendes Jahr ein Headset vor und Meta wird über die eigene zukünftige Metaverse-Strategie entscheiden müssen.

Angesichts der Realität scheint Eskapismus in die Cyberwelt eine attraktive Alternative. Prosit 2023!