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Der größte Stein von allen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Es knirscht im Gesundheitswesen an allen Ecken und Enden. Sogar die Opposition will da kein Öl ins Feuer gießen.


Es knirscht an allen Ecken und Enden des Gesundheitssystems - und überall dazwischen ebenso. Die Gründe dafür sind durchaus vielfältig: Da ist zum einen die Überlastung durch die Ausläufer einer bald dreijährigen Pandemie mit all ihren Folgen; da ist die aktuelle Welle winterlicher Infektionen; da sind die Umbrüche am Arbeitsmarkt, die das Gesundheitswesen besonders - und besonders negativ - treffen; und da sind schließlich die strukturellen Versäumnisse im Hinblick auf Steuerung, Effizienz und Innovation.

Anders als früher ist die Lage des Gesundheitswesens dabei, sich in das politische Bewusstsein der Menschen einzugraben. Immer mehr Menschen spüren, dass die Probleme sich häufen und dass diese - früher oder später, sofern das nicht schon längst der Fall ist - auch mit ihrem eigenen Leben zu tun haben. Und da ist von Pflege noch gar keine Rede.

Sogar die Politik scheint dermaßen erschrocken über diesen anhaltenden Stresstest für das Gesundheitswesen, dass die ansonsten üblichen Reflexe vorübergehend außer Kraft gesetzt sind. Normalerweise würde sich keine Opposition - und schon gar nicht im Vorfeld von Wahlen - die Gelegenheit entgehen lassen, die Regierung mit den Bildern überfüllter Ambulanzen und fehlender Medikamente vor sich her zu treiben. Stattdessen zielen auch SPÖ, FPÖ und Neos auf Teuerung und Migration, um ÖVP und Grüne zu drangsalieren. Aber vielleicht spüren sie ja auch bloß instinktiv, dass die Sorgen im Gesundheitswesen den Horizont des üblichen Hickhacks übersteigen und auch nicht so schnell wieder verschwinden werden.

Österreich steht damit nicht allein, aber immer noch relativ gut da. Der Hinweis, dass es anderswo schlechter läuft, ist jedoch gewöhnungsbedürftig in einem Land, dessen Verantwortliche sich eigentlich einig sind, das beste aller Gesundheitssysteme erschaffen zu haben. Dabei liegt die Meisterprüfung darin, dieses System zu erhalten und rascher an die längst begonnenen Veränderungen anzupassen: bei Verantwortung und Steuerung, beim Management von Menschen und Daten, bei neuen Lösungen unter Berücksichtigung alter Stärken, bei einem effizienteren Einsatz der Ressourcen. Klar muss zudem sein: Mit mehr Geld allein wird sich nur wenig umsetzen lassen.

Es ist dies der größte und schwerste Stein, den die Verantwortlichen in Bund, Länder, Gesundheitskassen und Ärztekammern in den nächsten Jahren bergauf zu stemmen haben. Ideologie spielt dabei die geringste Rolle, dafür Macht und Eigeninteressen eine umso größere.