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Neue Hülle, neuer Kern?

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Der Politik der Republik ist die Idee des Parlamentarismus bis heute wesensfremd.


480 Millionen Euro, so heißt es prominent in fast jedem Beitrag, hat die Generalsanierung des Parlaments gekostet. Das ist viel Geld, doch das Ergebnis ist jeden Euro wert. Zudem ist "viel" immer relativ: Die Pleite der Kärntner Hypo Alpe Adria Bank verursachte einen Schaden von 9 Milliarden Euro, jene der Commerzialbank Mattersburg 820 Millionen, die 36 neuen Hubschrauber für das Bundesheer kosten einmalig 870 Millionen, die Nationalbank-Pensionen jährlich 126 Millionen.

Doch die Kosten lenken von der eigentlichen Hauptsache ab: Im Parlament sollen sich das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein einer Demokratie materialisieren. Für Österreich gilt das höchst unvollständig. Realpolitisch lag die echte Macht nie im Hohen Haus am Ring, sondern stets in den vor- und nebengelagerten Händen von Parteien und Sozialpartnern. Der Politik der Republik ist die Idee des Parlamentarismus bis heute wesensfremd geblieben.

Der parlamentarische Alltag legt davon ein manchmal beklemmendes, oft frustrierendes Zeugnis ab. Für die Bürgerinnen und Bürger wird das Parlament zuallererst als Bühne erfahr- und wahrnehmbar, auf der die Abgeordneten für ihre Positionen werben und die Opposition die Regierungsmehrheit kontrolliert, kritisiert und politische Alternativen aufzeigt.

Wenn es das Ziel sein sollte, dass die Bürger das Parlament - und das Parlament sich selbst - ernst nehmen, bedarf es dazu zweierlei: erstens Debatten, die sich an der Lebenswirklichkeit der Menschen und den Themen der Zeit orientieren, sowie eines kategorischen Imperativs, dass nur Forderungen erhoben werden, welche diejenigen, die sie erheben, auch selbst umsetzen würden, wenn sie an der Macht wären; und zweitens der Fähigkeit, dieser Auseinandersetzung zwischen entgegengesetzten politischen Zielvorstellungen auch sprachlichen Ausdruck zu verleihen. Wer die Menschen repräsentiert, muss auch die öffentliche Debatte beherrschen. Gerne geschliffen, pointiert, auch polemisch, aber immer als Gespräch angelegt und mit Fakten und Argumenten unterlegt. All das lassen die öffentlichen Sitzungen des Parlaments in der Regel schmerzhaft vermissen.

Die Rückkehr in ein wunderbar erneuertes Parlamentsgebäude ist deshalb für den Parlamentarismus eine Chance zum Neustart. Die Menschen im Land haben mit der Sanierung ihren Beitrag geleistet - jetzt ist es an den Abgeordneten und Fraktionen, ihrem eigentlichen Auftrag zu entsprechen; schließlich weist ihnen die Verfassung eine, ja die zentrale Rolle in der Politik zu. Aber diese Rolle muss auch das Parlament selbst wollen - und dann auch ausfüllen können.