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Die Wahl und ihre Folgen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Die ÖVP ist in Niederösterreich in der Defensive - eine neue Erfahrung für die Landespartei.


Österreich ist eine Demokratie, in der die Aussicht auf einen Machtwechsel als größte Drohung durchgeht - und deswegen als Mobilisierungshebel besonders gut wirkt. Das ist nicht nur in Niederösterreich der Fall, wo am Sonntag Landtagswahlen stattfinden und die seit 1945 dominante ÖVP mit der Warnung vor dem Machtverlust hausieren geht; im roten Wien kampagnisiert die seit 1945 dominante SPÖ nach dem gleichen Muster; die übrigen monochromen Länder halten es nicht anders.

Demokratie auf Österreichisch war, jedenfalls unterhalb der Bundesebene, ein Bestätigungsritual für die bestehenden Machtstrukturen - und ist es bis heute. Dass regelmäßige Machtwechsel normal und ewiggleiche Verhältnisse anormal sind, ist zwischen Boden- und Neusiedler See keine akzeptierte Selbstverständlichkeit.

Halten sich die Wählerinnen und Wähler am Sonntag an die veröffentlichten Umfragen, so wird die ÖVP trotz deftiger Verluste weiterhin mit Johanna Mikl-Leitner die Landeshauptfrau stellen. Dafür sorgt schon die Festlegung der SPÖ, als nur noch drittstärkste Kraft keinen FPÖ-Politiker an die Landesspitze zu wählen. Die Blauen werden sich trotzdem im Rauschgefühl eines Stimmungshochs als Sieger feiern, und das durchaus zu Recht. Herbert Kickl wird, auf die eine oder andere Weise, dies wohl auch dem Bundespräsidenten vermitteln.

Alle anderen Folgen sind schwieriger vorherzusagen. Abzuwarten bleibt, ob es Mikl-Leitner noch gelingen wird, doch eine Ära im Land zu begründen, das heißt, 2028 mit dann 63 Jahren erneut anzutreten - oder ob die mächtigste Landespartei der ÖVP sich auch personell neu aufstellen muss. Im Wahlkampf ist es der Partei nicht gelungen, die dunklen Schatten der türkisen Ära zu verdrängen, auch Mikl-Leitner geriet wiederholt arg in die Defensive. Das ist für die ÖVP im Land unter der Enns eine ungewohnte, weil eben ganz neue Erfahrung.

Ein Absturz der SPÖ in Richtung 20 Prozent oder gar darunter wird nicht nur Franz Schnabls (64) Zeit an der Parteispitze zu einer Episode im Land abstempeln, sondern auch der ewigen Debatte um Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner neuen Stoff zuführen.

Und die Bundesregierung? Ein Erdbeben in St. Pölten würde auch die Position von Kanzler Karl Nehammer erheblich erschüttern, dessen Kernteam aus Niederösterreich stammt. Verliert die Bundespartei ihr Machtzentrum, ist mit noch mehr Gezerre an und Orientierungssuche in der Bundes-ÖVP zu rechnen. Neuwahlen bleiben dennoch unwahrscheinlich. Man kann auch regieren, ohne große Brocken zu stemmen. Österreich kennt das.