Zum Hauptinhalt springen

Unter Druck

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Fragen der Migration haben eine lange Geschichte des Scheiterns. Es wird Zeit für echte Lösungen.


Bundeskanzler Karl Nehammer agiert, wie unter Druck stehende Politiker agieren: Er haut, also nicht wortwörtlich, mit der Faust auf den Tisch. Seine Ankündigung, notfalls die Abschlusserklärung des EU-Sondergipfels zu Migrationsfragen zu boykottieren, falls keine konkreten Vereinbarungen in Sachen Außengrenzschutz erfolgen, soll unmittelbar vor den am Donnerstag beginnenden Beratungen der 27 Staats- und Regierungschefs noch einmal Entschlossenheit demonstrieren.

Man darf davon ausgehen, dass die Drohung, obwohl über die deutsche Zeitung "Die Welt" gespielt, auf das heimische Publikum als Adressaten zielt. Nach der Niederösterreich-Wahl ist schließlich vor den Landtagswahlen in Kärnten (5. März) und Salzburg (23. April), und wieder steht für die angeschlagene Kanzlerpartei viel auf dem Spiel.

Doch ein derartiger (gegebener oder unterstellter) Tunnelblick wird dem Thema nicht gerecht. Das Problem ist real und für viele Menschen relevant. Und das nicht nur in Österreich. Die deutsche Innenministerin, die SPD-Politikerin Nancy Faeser, muss kommende Woche zu einem Krisengipfel laden, weil Bürgermeister und Landräte die stark steigenden Anzahlen immer neuer Asylwerber nicht mehr unterbringen können. Die Liste der Staaten, die Probleme dabei haben, die zu integrieren, die schon im Land sind, reicht von Norden nach Süden bis in den Westen der EU.

Unbestritten ist: Jedem in der EU ist klar, dass die Dublin-Regeln für das Asylwesen nicht funktionieren, nie funktioniert haben. Klar ist zudem, dass es manche Staaten, darunter Österreich, selbst waren, die eine Reform dieser Regeln verhindert haben, als sie noch glaubten, davon zu profitieren. Jetzt drängen diese Staaten, darunter wiederum Österreich, am lautesten auf neue Regeln.

Aber diese Debatte hilft niemandem, außer den rabiaten Populisten, denen die damit verbundenden Probleme und Ängste in die Hände spielen. Schon deshalb sind EU-Kommission, Rat und Parlament gut beraten, dem Thema Vorrang und Dringlichkeit zu widmen, zumal einfache Lösungen, die schnelle Ergebnisse zeitigen, ohnehin nicht zu haben sind, auch wenn manche davon träumen.

Die politisch seriöse Bewältigung der Migrationsfrage, der irregulären wie der regulären, ist zu einer Schlüsselfrage für die betroffenen Staaten wie die ganze Union geworden. Weder da wie dort sollte man sich daher taub, blöd und unwissend stellen, sondern praktikable Lösungen für ein wirkmächtiges und komplexes Thema erarbeiten. Weil: Nicht nur Nehammer steht unter Druck.