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Mit Waffen Frieden schaffen?

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Kiews westliche Partner wollen den Krieg kalibrieren.


Deutsche Gepard- und Leopard-Panzer, britische Challenger 2, französische Caesar-Haubitzen, Himars-Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesysteme und M1-Kampfpanzer aus den USA: Die Liste der Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine ist lang.

Doch diese Woche bat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seiner europäischen Tour de Force in London mit dem Slogan "verleiht unserer Freiheit Flügel" um Kampfflugzeuge (am realistischsten wären Flugzeuge des Modells Tornado).

Schon davor war von Kiews Wunsch, F-16-Kampfjets aus den USA geliefert zu bekommen, zu hören.

Die Debatten um Waffenlieferungen sind in der Dauerschleife gefangen: Der Westen will die Ukraine zwar militärisch stärken, um zu verhindern, dass Moskau in diesem Konflikt obsiegt, fürchtet aber, mit Waffenlieferungen Moskau zu stark zu provozieren und damit den Krieg noch weiter eskalieren zu lassen.

Und so versuchen Kiews westliche Partner, den Krieg korrekt zu kalibrieren, und liefern für den Sieg zu wenig und für eine Niederlage zu viel.

Jeder vernünftige Mensch, der jemals Krieg erlebt hat, ist Pazifist. Es gibt schlicht keinen deutlicheren Beweis für das Versagen der Menschheit, kein klareres Zeichen für die Irrationalität des angeblich so weisen Homo sapiens, als wenn Soldaten mit der Intention, möglichst effizient zu töten, ins Feld ziehen. Aber dieser Krieg kennt Täter und Opfer: Kaum jemals seit dem Irak-Krieg 2003 war es einfacher, die Kriegsschuld ganz klar einer Seite zuzuweisen.

Selenskyj hat also einen Punkt: Wer das Leben von ukrainischen Menschen schützen will, rüstet die ukrainische Armee so aus, dass sie in die Lage versetzt ist, das Land bestmöglich gegen die russische Armee zu verteidigen. Nur wenn Wladimir Putin begreift, dass dieser Angriffskrieg für Russland nicht zu gewinnen ist, kann es Frieden geben. Und sobald Putin den grausamen Krieg gegen sein Nachbarland stoppt, kann für die Ukraine und für Europa die langsame und mühsame Rückkehr zur Normalität beginnen.

Jene, die Selenskyj mit seinem dauernden Flehen nach mehr und moderneren Waffen nervt, sollten nicht vergessen, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer liebend gerne im Frieden leben würden, in den Karpaten mit ihren Liebsten durch verschneite Landschaften wandern oder mit ihren Freunden in den Bars von Kiew oder Kharkiw die Nacht zum Tag machen würden. Doch Putin hat die Normalität in der Ukraine zerstört. Stattdessen verteidigen zigtausende junger Ukrainerinnen und Ukrainer (ja, es dienen auch Frauen in der ukrainischen Armee) gerade Bachmut, Kreminna oder Soledar. Man sollte sie nicht im Stich lassen.